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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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mußte, und so wurde es ermöglicht, daß zur Feierahendstunde<br />

Alles beendigt war und sämmtliche Hausgenossen<br />

sich nach Belieben auf die nächsten Fest- und<br />

Freudentage vorbereiten konnten.<br />

<strong>Die</strong> Abendstunden des »stillen Sonnabends« wurden,<br />

diesem Namen entsprechend, in größter Stille<br />

und eigenthümlicher Weise zugebracht. So gern <strong>Ammer</strong><br />

es sah, wenn des Abends zuweilen ein Nachbar<br />

bei ihm einsprach, an diesem Tage ward kein Besuch<br />

angenommen, was freilich ein Leichtes war, da ohnehin<br />

keiner kam. <strong>Die</strong>jenigen, welche mit dem Weber<br />

auf freundschaftlichem Fuße lebten, kannten seine Eigenthümlichkeiten<br />

zur Genüge und wußten, daß er<br />

den abendlichen Rest dieses Tages nur im Kreise seiner<br />

<strong>Familie</strong> zuzubringen pflege. Frau und Kinder mußten<br />

sich nach dem frugalen Abendessen um den viereckten<br />

Tisch <strong>von</strong> Lindenholz setzen, alle Arbeit ruhen lassen<br />

und einer Lectüre Ohr und Herz leihen, an der sie sehr<br />

wenig Geschmack fanden. <strong>Ammer</strong> las nämlich in eigener<br />

Person aus Klopstock’s »Messiade« vor, die er <strong>von</strong><br />

seinem Pathen, einem Gelehrten, bei der Confirmation<br />

zum Geschenk erhalten hatte, und welche beiläufig das<br />

einzige Werk deutscher Literatur war, das er besaß und<br />

kannte. Er hatte es wirklich schon einigemale durchgelesen<br />

und sich immer wieder <strong>von</strong> Neuem daran erbaut,<br />

da es ihm eine zweite Bibel zu sein schien. Freilich vergingen<br />

Jahre, ehe sämmtliche Gesänge durchgearbeitet<br />

wurden, allein das störte den in seiner Ausdauer<br />

unermüdlichen Weber nicht, und noch weniger durften<br />

seine Zuhörer sich dagegen auflehnen.<br />

Frau Anna war an diese Feier des Abends vor dem<br />

Osterfeste so gewöhnt, daß sie etwas vermißt haben

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