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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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und bittet, daß Sie nach so langer Zeit ihm anhängen<br />

wollen mit gleicher Treue, wie früher!<br />

<strong>Die</strong> junge Wittwe bebte vor Aufregung und Ueberraschung.<br />

Thränen entstürzten ihren Augen, sie begann<br />

laut zu schluchzen. Dabei legte sie beide Hände<br />

wie segnend auf das Haupt des Knieenden. Fürchtegott<br />

ließ die Erschütterte gewähren. Als sie sich etwas mehr<br />

beruhigt hatte, ergriff sie des Jünglings Hände und bat<br />

ihn leise, er möge aufstehen. Dann erhob auch sie sich,<br />

schritt durch den engen Raum des Gemaches und trat<br />

unter die Thür, den Blick gen Himmel wendend. Fürchtegott<br />

trat an ihre Seite und ergriff ihre Hand.<br />

Erdmuthe, sprach er mit ungewöhnlicher Weichheit,<br />

Erdmuthe, Sie sind eine glaubensstarke Frau und besitzen<br />

ein <strong>von</strong> allen irdischen Schlacken geläutertes Herz;<br />

ich wate in einem Meer <strong>von</strong> Irrthümern und menschlichen<br />

Schwächen, und habe vielleicht mehr Anlage zum<br />

Schlechten als zum Guten. Ein räthselhaftes, unerklärliches<br />

Schicksal hat uns zusammengeführt, und bin ich<br />

auch kein gläubiges Gemüth, so kann ich doch auch<br />

nicht zweifeln, daß es Gottes unerforschlicher Wille<br />

gewesen ist, durch dieses Zusammenführen größere<br />

Zwecke zu fördern. Wie Sie seit jener ersten Begegnung<br />

mich still im Gedächtnisse trugen, so lebte Ihr<br />

Bild fort in meinem Herzen. Es war mir jener Augenblick,<br />

wo Ihr Mund mich küßte, so heilig, daß niemals<br />

ein Wort da<strong>von</strong> über meine Lippen gekommen ist. Ich<br />

liebte Sie, Erdmuthe, ich liebe Sie noch, und ich kann<br />

noch in diesem Augenblicke nicht glauben, daß Ihr tieffühlendes<br />

Herz dem braven Manne, der jetzt dort unten<br />

im Thale unter den rauschenden Sycomoren ausruht<br />

<strong>von</strong> den Mühen des Lebens, mehr zugehört habe,

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