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Die Familie Ammer. Deutscher Sittenroman von Ernst Willkomm.

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— 592 —<br />

»Doch darüber wollen wir nicht rechten, noch grübeln,<br />

schon weil keine Zeit dazu gegeben ist. Mich<br />

drängt es, nochmals mein Herz auszuschütten vor Dir,<br />

mein Bräutigam vor dem Herrn, ehe Du Dich hinauswagst<br />

in die große, wilde Wasserwüste, die schon das<br />

Grab zahlloser Tausende geworden. Ich habe Dir noch<br />

eine Bitte vorzutragen, die Du beherzigen wirst, weil<br />

Du mich liebst.<br />

»Siehe, mein Bruder, die Magd, welche der Herr gerufen<br />

hat in seinen Weinberg, daß sie die Trauben lese<br />

<strong>von</strong> den fruchtbaren Reben und die unfruchtbaren mit<br />

dem Wasser der Hoffnung und des Glaubens tränke,<br />

sie ist jetzt niedergeschlagen und irrt nicht selten einsam<br />

durch die Nacht, um Trost zu finden im Aufblick<br />

zu dem gestirnten Himmel, der ihr noch immer ein gar<br />

starker Halt gewesen ist in bangen Tagen. Aber seit ich,<br />

eine Sendbotin des Erlösers, nun Braut und Geliebte<br />

eines Erdensohnes, ihm nicht mehr allein, ja wohl zu<br />

wenig angehöre, seitdem trösten mich die Sterne nicht,<br />

und der Thau, welcher die Erde netzt, dient meinem<br />

Herzen nicht mehr zum lindernden Balsam. Ich fürchte,<br />

daß ich eine Unwürdige geworden bin vor dem<br />

Herrn, und eben weil ich dies glaube, bitte ich Dich, bei<br />

dem hochwürdigen Herrn Bischof oder dem vielvermögenden<br />

Grafen Alban ein Fürwort für mich einzulegen.<br />

Gram und Kummer und ach – ich muß es gestehen –<br />

Gewissensbisse müßten mich verzehren, müßte ich es<br />

selbst ansehen, wie ich, eine Unwürdige, aus der Gnade<br />

des Herrn Entlassene, die Schöpfung, welche ich begründet,<br />

selbst wieder zerstörte! Das kann weder der<br />

Herr, unser Aller Vater und Richter, wünschen, noch<br />

könnten es die Aeltesten der Gemeinde verantworten,

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