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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Song verhält es sich so: (ihre Dichtungen; d.V.) sind durchaus nicht frei von obszönen<br />

Worten, doch wer sie liest, spürt in ihnen das zutiefst Bewegende. 178<br />

Die späte Aufwertung der Gattung durch Wang Guowei und die Argumente, mit der er sie<br />

stützt, deuten bereits darauf, daß die Selbstwahrnehmung <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> hier eine andere war.<br />

Der Ursprung dieser Verschiedenheit liegt wohl vor allem darin, daß die Stimme, mit der die<br />

ci-Dichtungen erklangen - physisch und geistig - eine weibliche war, denn die fertiggestellten<br />

Texte wurden anfangs ausnahmslos, später aber noch immer überwiegend, von Künstlerinnen<br />

vorgetragen. 179 Zudem war in den ganz frühen ci die Gegenständlichkeit auf die Welt der<br />

Frauengemächer zugeschnitten; die Lokalisation der Stimme konnte also in vielen Fällen nur<br />

eine Verfremdung bewirken, durch die die Person <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> ihre in der shi-Dichtung<br />

überwiegend aus männlichen Tugenden gebildete Konsistenz teilweise verlor, um sich dann<br />

in Verbindung mit Dingen und Gefühlen, die der weiblichen Welt zugeschrieben wurden,<br />

wieder zusammenzusetzen.<br />

Die Schwelle zwischen shi und ci, von der anfangs die Rede war, wird also im<br />

wesentlichen auch durch eine andere Bewußtseinslage, die sich aus der Selbstwahrnehmung<br />

<strong>des</strong> Dichtenden ergab, festgelegt. Ein Indiz dafür, daß sich das Wissen darum schon während<br />

der Song-Zeit ausbildete, liegt in der im elften Jahrhundert entstandenen Einteilung von ci-<br />

Stilen in zwei allgemeine Gruppen namens „heroisch“ (hao-fang) und „anmutig“ (wan-yue).<br />

Während der zweiten Gruppe alle Dichter zugeschlagen wurden, die am ursprünglichen<br />

Charakter der ci-Dichtung festhielten, ihre Musikalität pflegten und die Themenschwerpunkte<br />

wenig verschoben (z.B. Zhou Bangyan, Li Qingzhao, Wu Wenying), zählte man zur ersten<br />

Gruppe diejenigen, bei denen das Prinzip „ci mit den Methoden der shi-Dichtung schreiben“<br />

(yi shi zuo ci) zur Geltung kam, die also die ci-Dichtung revolutionierten, indem sie vor allem<br />

Inhalte und Motive einführten, die ihren herkömmlichen Formen scheinbar widersprachen (Su<br />

Shi, Xin Qiji). Die Bezeichnungen beider Gruppen scheinen im Grunde auf männliche und<br />

weibliche Körpersprache anzuspielen und deuten somit an, welche Mentalität der Gattung ci<br />

ursprünglich eigen war und in welche Richtung sie sich mit der Zeit erweiterte, ohne jedoch<br />

jemals wieder in der shi-Dichtung aufzugehen.<br />

178 Wang, Guowei; § 52, S. 25<br />

179 Ausführlich diskutiert Ye Jiaying diese Problematik in Female Voice und weist mit Nachdruck darauf hin,<br />

daß es zwar eine dreistufige Entwicklung während der Song-Zeit gegeben habe, im Laufe derer die anfangs<br />

weibliche Stimme durch eine männliche ersetzt worden sei, gleichwohl aber die den ci eigene Ästhetik <strong>des</strong><br />

Vieldeutigen in ihren Grundzügen von der ursprünglichen Nicht-Identität <strong>des</strong> (männlichen) Autors mit der im<br />

Text klingenden (weiblichen) geprägt sei. (S. 149) Auch an den weiter unten im Hauptext angeführten<br />

Gedichtbeispielen läßt sich dieses Phänomen leicht beobachten.<br />

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