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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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nur aus dem Bezug zu Li Bo, nicht aus dem Text ohne „Hintertext“ hervorgeht. Diese ist das<br />

Andenken an den, der hier sagenhafterweise zum Unsterblichen geworden sein soll, in<br />

direkter Verbindung mit dem Abschied von einem Freund, <strong>des</strong>sen Fortgang stillschweigend<br />

mit der Verwandlung <strong>des</strong> Ersteren verglichen wird. Diese thematische Anspielung wird<br />

ergänzt durch eine Übernahme der jahreszeitlichen Gegebenheiten: das Ausstreuen der<br />

Weidenblüten (<strong>Jiang</strong>, Vers 2) durch den Wind und der dritte Mond (Li, Vers 2) fallen in<br />

dieselbe Saison. Dazu kommt, daß bei Li das Boot <strong>des</strong> Freun<strong>des</strong> vom Westen scheidet, d.h.<br />

nach Osten stromab fährt, sich von den Gegenden entfernt, wo die Sonne untergeht. Dies trifft<br />

mit <strong>Jiang</strong>s Angabe, daß die Überquerung <strong>des</strong> Bootes spät - also ebenfalls zur Zeit der<br />

Abenddämmerung - stattfindet, zusammen 121 . Auch das kleine Segel (<strong>Jiang</strong>, Vers 2) und das<br />

Waisensegel (Li, Vers 3) stimmen sinngemäß weitgehend miteinander überein.<br />

Die bisherigen Einzelheiten, mit denen <strong>Jiang</strong> also auf das Gedicht Li Bos anspielt, sind<br />

nur im ersten Doppelvers enthalten. <strong>Das</strong> zweite Verspaar wird aus diesen intertextuellen<br />

Bezügen einen Sinn ableiten, der sich von der Aussage <strong>des</strong> Li-Bo-Gedichtes trennt. Um diese<br />

Entwicklung zu beschreiben ist zunächst noch zu berücksichtigen, daß, trotz der kunstvollen<br />

Anspielung auf das berühmte Tang-Gedicht, die ohne Zitate und verbale Äußerlichkeiten<br />

auskommt, schon in den ersten beiden Versen eine vollkommen andere Atmosphäre evoziert<br />

wird. Besonders prägnant zeigt sich dieses beim Vergleich der Anfänge der jeweils zweiten<br />

Verse.<br />

Li Bo: 煙花三月 ...Dunstblüten im dritten Mond...<br />

<strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>: 柳花風急 Jagt Wind die Weidenblüten...<br />

Dunst an den Ufern, weite Sicht bis zum Horizont - stürmischer Wind, eine Unruhe in der<br />

Landschaft, die ihre Weite gar nicht erst in den Sinn bringt. Die Grundstimmung <strong>des</strong> einen<br />

Gedichtes, die in der dunstigen Frühlingsstille zum Ausdruck kommt, hat nicht viel oder gar<br />

nichts mit der <strong>des</strong> anderen gemein, wo die Blüten - vieldeutiges Sinnbild <strong>des</strong> Vergänglichen<br />

und Schönen - nicht mehr mit dem die wieder auflebende Natur halb verhüllenden<br />

Frühlingsdunst verschmelzen und für den Moment <strong>des</strong> Gedichtes in ihm geborgen erscheinen:<br />

Stürmischer Wind reißt sie von den Weidenzweigen, „schrickt“ 急 sie aus ihrem<br />

selbstversunkenen <strong>Das</strong>ein auf und jagt mit ihnen einer ungeahnten Zukunft entgegen. <strong>Das</strong><br />

Gedicht erfaßt noch eben die Schönheit der Blüten ohne Dauer ihres <strong>Das</strong>eins.<br />

121 Auch das war ein Grund, warum ich mich für keine der beiden Übertragungen entscheiden konnte, da sie das<br />

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