29.10.2013 Aufrufe

Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ohne Haupt. Heil!“ Im Kommentar <strong>des</strong> Übersetzers verlautet: „<strong>Das</strong> Starke ist angedeutet<br />

durch die Schar der Drachen, das Milde durch den Umstand, daß ihre Häupter verborgen sind.<br />

<strong>Das</strong> bedeutet: Milde in der Handlungsweise verbunden mit Stärke <strong>des</strong> Entschlusses bringt<br />

Heil.“ 482 Die Erscheinung einer Schar Drachen ist also zunächst ein Symbol für die Kraft <strong>des</strong><br />

Herrschers, für die auch die „männliche“ Zahl Neun steht (vergleiche Untersuchung zu<br />

Gedicht 3). Darüber hinaus unterscheidet sich das Bild aber offenbar zielbewußt vom Orakel<br />

<strong>des</strong> Yijing, denn die Drachen verbergen nicht das Haupt zum Zeichen einer „Milde in der<br />

Handlungsweise“, sondern wirken geradezu zornig und angriffslüstern. Hier wird die Gefahr,<br />

die von der aggressiven Haltung der Drachen droht, wiederum offensichtlich, auch wenn sie<br />

durch eine, leicht ins Ironische überspielende Reflexion über die Außergewöhnlichkeit der<br />

Erscheinung (Vers 35 bis 38), gemäßigt wird. Diese Ironie wird im nächsten Abschnitt<br />

deutlich gesteigert.<br />

II. Ironie<br />

Die Drachenmetaphorik endet nunmehr schlagartig und wird durch das überraschende<br />

Auftauchen <strong>des</strong> Esels, nachdem zuvor mitten auf dem Wasser jäh ein Dunst entstand,<br />

abgelöst. Es bietet sich an, in diesem Zusammenhang an Liu Zongyuans Fabel vom „Esel aus<br />

Qian“ 黔之驢 zu denken, die ihrer einmaligen Ausdruckskraft und Kürze halber in fast<br />

vollständiger Übersetzung eingeschaltet wird:<br />

In Qian gibt es keine Esel. Einmal begab sich ein Abenteurer auf einem Boot mit (seinem<br />

Esel) in diese Gegend. Als er aber dort angekommen war, wußte er mit ihm nichts mehr<br />

anzufangen und ließ ihn in die Berge laufen. Der Tiger sah ihn und war so sehr verdutzt über<br />

die Größe dieses Tieres, daß er es für einen Gott hielt. Er suchte Schutz in den Wäldern und<br />

spähte ihm nach. Kaum daß er sich traute ihm näher zu kommen, so groß war seine Furcht vor<br />

dem Unbekannten. Den folgenden Tag schrie der Esel einmal, so daß der Tiger in großem<br />

Entsetzen das Weite suchte, da er glaubte, er wäre gleich gefressen worden. In äußerster<br />

Angst sandte er dennoch hin und wieder einen spähenden Blick nach ihm aus. Dabei wurde er<br />

gewahr, daß jener sonst keine Fähigkeiten hatte. So gewöhnte er sich allmählich an dieses<br />

Schreien und umschlich ihn von vorne und hinten; doch traute er sich noch immer nicht<br />

zuzupacken. Er kam näher und immer näher: dann lehnte er sich sanft an den Esel an und<br />

berührte sein Fell. Der Esel aber konnte seines Zornes nicht Herr werden und schlug mit den<br />

Hinterhufen nach ihm aus. <strong>Das</strong> freute den Tiger und er sprach, seiner Sache ganz gewiß:<br />

„Damit hat seine Kunst wohl ein Ende!“ Dann stürzte er sich mit Gebrüll auf ihn, durchbiß<br />

seine Kehle, verschlang sein Fleisch und ging von dannen. 483<br />

Die Fabel ist sprichwörtlich geworden. Jemand, von dem es heißt, er habe „das Geschick<br />

eines Esels aus Qian“ 黔驢之技, gilt noch heutzutage als Blender, der im Grunde nichts taugt.<br />

482 Hinsichtlich <strong>des</strong> kommenden Zitates folge ich Übersetzung und Kommentar bei: Wilhelm; I Ging; S. 30<br />

483 Liu Zongyuan ji; Band 2, J. 19, S. 534-535<br />

264

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!