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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Auch ohne im einzelnen auf den Zusammenhang und Aufbau der Strophen, das feine<br />

Geflecht aus Anspielungen, Ausschmückungen (Tropen) und den jene zusammenhaltenden,<br />

sinntragenden Elementen näher einzugehen, ist schon allein bei der Lektüre der Übersetzung<br />

nicht zu übersehen, daß der Text überwiegend aus einem, nach damaligen Vorstellungen,<br />

weiblichen Empfinden zu sprechen scheint. Lesern, die über Erfahrungen mit der Symbolik<br />

chinesischer Dichtung verfügen, kann allerdings ebenso wenig entgehen, daß der Blick auf<br />

das „Schachbrett“ ´Ñ§½ in Vers 11 eine solche Stimmigkeit einschränkt und zugleich die<br />

Deutungsmöglichkeiten öffnet. Zunächst einmal gehört das Schachspiel im poetischen<br />

Kontext meist zu den müßigen Beschäftigungen <strong>des</strong> gebildeten Mannes und wird auch in<br />

Analogie zur „männlichen“ Gedankenwelt der shi-Dichtung gesetzt. 200 In seiner Interpretation<br />

dieses Gedichtes bemerkt Hightower, daß zwar die Symbolik <strong>des</strong> Schachspiels, zu dem es ja<br />

zweier Spieler bedarf, gelegentlich auch auf den Kontext der Liebeslyrik übertragen wird 201 ,<br />

jedoch die hier gewählte Ausdrucksweise 尋棋局 (...sinnt...auf einen Schachzug überm<br />

Brett.) kaum zu dem Überwältigtsein vom Trennungsschmerz, das uns hier als Zustand der<br />

verlassenen Frau geschildert wird, passen will. Von dort ausgehend haben nun andere<br />

Literaten versucht, das gesamte Gedicht als politische Allegorie, zu der das schmerzhafte<br />

Sinnen auf den richtigen Schachzug als Schlüssel fungiert, auszulegen. Meines Erachtens hat<br />

Hightower vollkommen recht, wenn er vor dem Forcieren einer solchen Sichtweise warnt:<br />

In general it seems best not to subject Zhou Bangyans songs to allegorical exegesis. They<br />

will be found complex enough to satisfy most readers without introducing a political<br />

dimension that in the nature of things must remain speculative and highly subjective. 202<br />

Mit dem überraschenden Hinweis, daß die Frau dem bunten Geländer (auf das sie sich<br />

eigentlich lehnen sollte, um sehnsüchtig nach dem Geliebten Ausschau zu halten) den Rücken<br />

zuwendet und sich, trotz ihrer Qual, auf einen Schachzug konzentriert, erleben wir hier in<br />

jedem Fall die Übertragung der Liebesleiden auf eine das vordergründig<br />

„geschlechtsspezifische“ Boudoirkonstrukt konventioneller ci-Dichtung durchbrechende<br />

Vorstellungsebene. <strong>Das</strong> Schachbrett ist der letzte Ort, an dem die Geliebten, in Gestalt der<br />

Stellung ihrer Figuren noch beisammen und ineinader geblieben sind. Dort kreuzen sich nicht<br />

nur die fast zum Stillstand gekommenen Züge der getrennten Liebenden, sondern auch<br />

Leidenschaft und kühle Beherrschung der Gedanken, Unvorhersehbares und Berechenbares.<br />

Jene Konzentration auf den einzigen Zug, dem keiner mehr folgen wird - denn die Rückkehr<br />

<strong>des</strong> Gegenspielers ist 猶未卜im voraus...nicht zu sehn -, ist Abkehr von der Gegenwart, die<br />

200 Vergleiche: Führer, Bernhard; Chinas erste Poetik, Schachanalogie; S. 151-154<br />

201 Hightower; Chou Pang-yen; S. 304 (Anmerkung 36)<br />

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