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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Pfirsichblatt, o Pfirsichblatt mein!<br />

Zur Überfahrt brauchst du kein Boot.<br />

Doch komm’ herüber ohne Not,<br />

Und ich empfang’ dich ganz allein! 528<br />

桃葉復桃葉<br />

渡江不用楫<br />

但渡無所苦<br />

我自來接汝<br />

Die Stimmung 529 , die durch diese literarischen Bezugspunkte in das Gedicht einfließt, ist<br />

zwar erotisch geladen - bei Su humorvoll und aus dem Abstand betrachtet; bei Wang dafür<br />

etwas leidenschaftlicher und direkter -, doch ein tiefer Trennungsschmerz ist in den<br />

Anspielungen nicht enthalten. Der Leser fühlt sich durch sie eher an Zusammenhänge<br />

erinnert, in denen der Zauber <strong>des</strong> Erotischen, nicht die Kraft <strong>des</strong> Tragischen, die wesentlichen<br />

Anteile hat. Von diesem Standpunkt aus lassen sich die Gedichttexte einzeln auch als<br />

gefühlvoll-eindringliche, aber, bedingt durch die Auswahl und Behandlung <strong>des</strong> Stoffes, eher<br />

konventionelle ci-Lyrik lesen. Lediglich in der Kombination und unter Beachtung der<br />

Vorworte wird erkennbar, daß in beiden Texten zwei verschiedene Motive - die Erfahrung<br />

<strong>des</strong> Liebeslei<strong>des</strong> und die Situation <strong>des</strong> Reisenden - den Gedanken einer Trennung ausdrücken.<br />

Somit ergeben sich für die inhaltliche Interpretation zumin<strong>des</strong>t zwei gleichberechtigte<br />

Möglichkeiten. Einerseits läßt sich die emotionale Spannung zwischen zwei Polen - den<br />

Geliebten (Tänzerinnen?) dort und der Person <strong>des</strong> Reisenden hier - lokalisieren. Sie nimmt zu<br />

in dem Maße, in dem sich die beiden Pole unabsehbar voneinander zu entfernen scheinen,<br />

und mündet schließlich in eine unendliche Klage über das Getrenntsein. Die übliche<br />

Sentimentalität konventioneller ci-Dichtung erreicht in den Schlußversen beider Gedichte<br />

einen Höhepunkt. Andererseits kann auch das Motiv <strong>des</strong> Reisens und damit die Subjektivität<br />

eines Reise-Ichs in den Vordergrund treten. Dann ist der Gedanke der Trennung (und<br />

Vereinsamung) eher indirekt an die Erinnerung eines verlorenen Liebesglücks geknüpft,<br />

vielmehr ist mit Blick auf den Kontext beider Gedichte und ihre durch die Vorworte<br />

vorgegebene Folge eine allmähliche Lösung dieses Gedankens von dem vermeintlichen<br />

Erfahrungsgegenstand zu beobachten. Erwähnt das erste Vorwort noch einen Traum als<br />

Auslöser der wachen Erinnerung, so geht im zweiten Vorwort der noch rückwärtsgewandte<br />

Blick in den erneuten Aufbruch in Richtung eines nicht genannten Reisezieles über. <strong>Das</strong><br />

scheinbar konkrete Motiv der Erinnerung an Verlorenes führt unversehens zum abstrakten<br />

Leitgedanken eines offenen <strong>Das</strong>eins (Reise ohne vorgestelltes Ziel), <strong>des</strong>sen Gegenwart und<br />

528 Wei, Zheng; Sui shu; Beijing 1973; J. 212, S. 637<br />

529 Der Ausdruck “Stimmung” soll hier nicht begrifflich überstrapaziert werden, sondern dient lediglich dazu,<br />

einen noch nicht näher faßbaren Eindruck von Vielschichtigkeit, der als wesentlicher Teil der ästhetischen<br />

Wirkung fast je<strong>des</strong> Gedichtes und seiner Rezeption nicht ausgeschaltet werden kann, vorläufig festzuhalten.<br />

(Vergleiche dazu auch: Burdorf; S. 185)<br />

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