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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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An ‘zig Inseln führt mich die Wegstrecke nah vorbei,<br />

<strong>Das</strong>itzend spüre ich äußerste Fülle –<br />

Ohren und Augen verschrecken die dunstigen Weiten,<br />

In den Tiefen <strong>des</strong> Geistes herrscht eisige Stille.<br />

(...)<br />

行將十洲近<br />

坐覺八極溢<br />

耳目駭鴻濛<br />

精神寒佶栗<br />

Lu Guimengs „Ouverture“, die nur gut ein Viertel der Gesamtlänge <strong>des</strong> Gedichtes<br />

einnimmt, ist beinah so lang wie <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s Text und die anschließenden Verse lassen noch<br />

lang nicht nach mit kühnen Metaphern, die das unbeschreibliche Naturschauspiel in ein<br />

bewegliches Wortspiel umwandeln: Strudel werden zu „klaffenden Abgründen“ (ya huo; Vers<br />

13), dann quillt es aus der Tiefe hoch und jagt das Boot auf „steile Gebirgsgrate“ (cuo zu;<br />

Vers 14) 467 oder „der Lebensodem (qi) <strong>des</strong> Xian-Weihers“ (Xian chi qi; Vers 25), in dem sich,<br />

einem alten Mythos zufolge, die Sonne vor ihrem Aufgang reinwäscht, wird in den rötlich<br />

durchleuchteten Nebelschwaden über dem Wasser <strong>des</strong> Taisees wiederentdeckt (Vers 26 bis<br />

28). Wortentlehnungen aus den Chuci (3. Jahrhundert v.Chr.), wie die oben übersetzten<br />

Zitate, finden sich nicht nur bei Lu, sondern auch in <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s Texten - vor allem den<br />

Gedichten 1 bis 7 - häufig und beweisen, daß beide Dichter auf dieselbe literarische Tradition<br />

bezugnehmen. Darin ist der Dichter Qu Yuan (343?- 290) oder vielmehr die in seinen<br />

Dichtungen immer wieder beschriebenen „rituellen Reisen“ 468 , deren Anlaß Weltflucht und<br />

deren Ziel die Erkenntnis einer reinen Wahrheit und die Teilhabe am göttlichen Leben sind,<br />

der literarische Topos, an dem sich beide orientieren.<br />

In <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s Gedicht wird das ganz deutlich anhand der Verwendung der sogenannten<br />

„Morgen-Abend-Formel“ 469 in den Versen 7-8. Diese Konstruktion setzt den Zeitrahmen<br />

einer Tagesreise auch symbolisch für das Schicksal der hohen Bestrebungen, die sich ihrem<br />

Ziel mit der aufsteigenden Sonne ebenso rasch anzunähern scheinen, wie sie sich mit der<br />

untergehenden schon wieder davon entfernt haben. Die früheste Textstelle findet sich im<br />

Lisao <strong>des</strong> Qu Yuan, im Doppelvers 94: „Im Morgengrauen beginne ich meine Reise in<br />

Cangwu, ach, / Abends komme ich an im Paradiesgarten.“ 470 Dort will es zunächst so<br />

scheinen, als sei der Suchende ans Ziel gelangt, doch anschließend treibt ihn die Dunkelheit<br />

467 Ähnliche Bilder finden sich bei <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> in Gedicht 2, Vers 10: Gewaltige Wellen, Gebirge aus Felsen und<br />

Stein und Gedicht 3, Vers 7 und 8 (siehe weiter unten).<br />

468 Vergleiche dazu auch: Schmidt-Glintzer; S. 38-43 & 45-47<br />

469 ebenda; S. 41<br />

470 Übersetzung wie oben, S. 41<br />

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