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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Die Abstraktion auf ein reines Mengenverhältnis, ohne Pendant in der Abfolge der Töne,<br />

mag gewagt erscheinen, doch andererseits ist die wechselnde Spiegelbildlichkeit dieses<br />

Verhältnisses in den Versen 1 bis 3 und die abermalige Umkehrung in 4 ein Argument gegen<br />

die Annahme <strong>des</strong> Zufallsprinzips. Um die Richtung der Interpretation an dieser Stelle zu<br />

bekräftigen, scheint ein Vergleich mit der tonalen Struktur im Gedicht <strong>des</strong> Li Bo, das ja den<br />

zeitgenössischen Lesern gleichsam zwischen den Zeilen <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s präsent war, angebracht.<br />

Auch bei Li Bo sieht es auf den ersten Blick so aus, als habe ihm das „ideale“ Schema der<br />

Tonregeln nicht viel bedeutet, doch dann ist zu erkennen, daß er zumin<strong>des</strong>t im zweiten<br />

Verspaar sehr deutlich im Geist <strong>des</strong> formalen Parallelismus und der Komplementarität<br />

dichtete, der vierhundert Jahre vor <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> noch nichts Verbrauchtes hatte. Der Kürze<br />

halber wird hier nur das Schema der Konturtöne vollständig wiedergegeben, das der<br />

Registertöne wird auf die prägnanten Verse 3 und 4 halbiert und anschließend noch durch die<br />

vollständige Aufstellung ihrer quantitativen Verteilung über das ganze Gedicht ergänzt:<br />

Konturtöne<br />

/ − − − − / −<br />

− − − / / − −<br />

− − / / / − /<br />

− / − − − / −<br />

Registertöne<br />

⊥ ∪ ∪ ⊥ ⊥ ⊥ ∪<br />

⊥ ∪ ∪ ⊥ ⊥ ⊥ ∪<br />

1. ∪ = 5 ⊥ = 2 3. ∪ = 3 ⊥ = 4<br />

2. ∪ = 2 ⊥ = 5 4. ∪ = 3 ⊥ = 4<br />

故人西辭黃鶴樓<br />

煙花三月下揚州<br />

孤帆遠影碧空盡<br />

惟見長江天際流<br />

Die letzten beiden Verse ergänzen sich also auf der Konturebene nahezu vollkommen<br />

spiegelbildlich (die Silben 1, 3 und 5 erlauben ohnehin, vom metrischen Prinzip der<br />

Entgegensetzung der Tonlinien abzuweichen) und die Registertöne wirken durch die einfache<br />

Parallelkonstruktion in diesem Sinn förderlich: Gespanntheit und Ruhe gehen hier, wie auf<br />

der begrifflichen Ebene <strong>des</strong> Gedichtes - das Boot <strong>des</strong> Freun<strong>des</strong> entfernt sich bis zum<br />

Verschwinden, der ewige Strom mündet in denselben Horizont ein - letztlich unentwirrbar<br />

ineinander über.<br />

In den ersten beiden Versen ist dagegen, außer dem Verstoß gegen die formalen<br />

Tonregeln, nichts von einem Streben nach gegenseitiger Ergänzung oder Parallelismus<br />

bemerkbar. Lediglich die Überzahl an Ebentönen spricht deutlich dafür, daß das<br />

Hinauszögern der emotionalen Spannung, die sich in der klaren Konstruktion der letzten<br />

beiden Verse erst entlädt, auch in der Klangstruktur verarbeitet wird. Auch bei den<br />

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