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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Gattung zugeschnitten und eignet sich von daher - nach dem ästhetischen Verständnis der<br />

Zeitgenossen -, einen eigensinnigen Gedanken in die Form einzuführen. Die Texte beider ci<br />

ergänzen einander insofern, als sie das Verloren-Sein einmal als innere, seelische Situation<br />

und dann auch als äußere, “reale” Situation widerspiegeln: im Traum verlieren sich die Seelen<br />

der Geliebten bei der Rückkehr in der mondbeschienenen, kalten Berglandschaft Huainans<br />

(“Tanzend auf Grasmatten schreitend”) und im Wachsein fragt der Reisende, <strong>des</strong>sen Boot<br />

erneut ablegt, und der den Gedanken an Heimkehr bereits aufgegeben hat, bang nach dem<br />

unbekannten Ziel seiner Fahrt (“Spiegelung auf ‘Tag der Aprikosenblüten’”). Werden also<br />

beide Texte als Paar gelesen, so drücken sie gemeinsam die Idee aus, daß weder durch die<br />

Rückkehr (<strong>des</strong> Geliebten) im Traum noch durch waches Voranschreiten (<strong>des</strong> Ichs) das<br />

ersehnte Ziel näher rückt. Als eine Art dichterischer Wahrheit bleibt jener Schwebezustand<br />

zurück, der auch in der Musik anzuklingen scheint, wenn sich in den jeweils letzten Phrasen<br />

am Strophenende das nachsinnende Abwarten und der Aufbruch ins Ungewisse im auftaktig-<br />

verzögernden, das Weder-Noch derart betonenden Zeitmaß gegenüberstehen.<br />

Die Behauptung Xias, daß hinter den Anspielungen auf eine vermeintliche Liebschaft in<br />

Hefei, die er minutiös in bis zu zweiundzwanzig Texten nachweist 535 , ein biographisches<br />

Faktum verborgen liege, durch die er die betreffenden ci der im Westen mittlerweile nur noch<br />

unter strengen Vorbehalten angenommenen 536 Kategorie der “Erlebnislyrik” zuordnet -<br />

vermutlich um ein schlagkräftiges Argument gegen Wang Guoweis Formalismus-Kritik<br />

aufzubringen -, diese Behauptung kann hier nicht anerkannt werden. Für die Ablehnung sind<br />

m.E. drei Gründe zu nennen:<br />

1. Xia stützt sich ausschließlich auf Hinweise innerhalb <strong>des</strong> lyrischen <strong>Werk</strong>es, die<br />

Vorworte zu einzelnen ci einbezogen. Doch selbst, wenn die informative Funktion der<br />

Vorworte deutlich vorrangig ist, fehlen gerade dort die konkreten Hinweise auf weibliche<br />

Personen, die die Geliebten gewesen sein könnten; statt <strong>des</strong>sen finden sich lediglich Hinweise<br />

auf die Stadt Hefei und Zeitangaben, die verschieden interpretierbar sind. Anspielungen auf<br />

eine oder zwei Tänzerinnen, die als Geliebte in Frage kämen, kommen nur in den lyrischen<br />

Texten vor und sind dort bewußt hinter bekannten Namen literarischer Frauengestalten<br />

verborgen, wodurch sie in jedem Fall mehrdeutig zu lesen sind.<br />

2. Xias zusätzliche Erklärung, der Dichter habe sein Erlebnis absichtlich literarisch<br />

verschlüsselt, um die eigene Intimsphäre vor der Öffentlichkeit zu schützen, kann auch<br />

durchaus als Selbstwiderspruch verstanden werden. Zwar wird im selben Atemzug behauptet,<br />

535 JBS; S. 282<br />

536 Vergleiche dazu Burdorf; S. 182-193<br />

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