Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes
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sich deren klangliche Gestalten im Grunde nicht verbindlich rekonstruieren lassen und<br />
außerdem die Gültigkeit <strong>des</strong> „Idealschemas“ von den Zeitgenossen, selbst für große Meister<br />
der Tang-Zeit, in Frage gestellt wurde. 125<br />
Hier ist beabsichtigt, auf Basis zweier Klangebenen - der von Unger in dem oben<br />
erwähnten Aufsatz unterschiedenen mittelchinesischen Kontur- und Registertöne 126 - die<br />
Möglichkeit einer tonalen Struktur an diesem Textbeispiel konkret zu veranschaulichen.<br />
Die aus dem gesprochenen Gedicht als erstes heraushörbaren Konturtöne ergeben sich aus<br />
der Einteilung der vier Silbentöne (eben, steigend, fallend, eingehend) in zwei<br />
Tongeschlechter, nämlich einerseits den „ebenen“ 平 (ping) und andereseits die drei schiefen<br />
Töne 仄 (ze). Ergänzend dazu lassen sich auch die sogenannten Registertöne, die die<br />
Klangfärbung einer Silbe noch genauer bestimmen, unterscheiden. Aus den Registern ergibt<br />
sich die Möglichkeit eines Hochtons (mit stimmlosem Anlaut) und eines Tieftons (mit<br />
stimmhaftem Anlaut), wodurch sich die Zahl von vier Konturtönen auf insgesamt acht<br />
Betonungsmöglichkeiten verdoppelt. Wesentlich für die Auslegung <strong>des</strong> analysierten<br />
Klangmaterials ist nun der jeweilige Charakter, dem entgegengesetzte Arten von Kontur- und<br />
Registertönen zugeschrieben werden. Nach Unger klingt auf der Konturebene in Ebentönen<br />
das „Element der Ruhe, Stille, Verhaltenheit“ an, während in den Schieftönen das „Element<br />
der Bewegung“ zum Ausdruck kommt. Auf der Registerebene verkörpert der Hochton das<br />
„Element der Spannung“, der Tiefton das „Element der Lösung“. Damit wird uns ein<br />
125 Ein fragmentarischer Auszug aus den „Gesammelten Gesprächen <strong>des</strong> verborgenen Fischers vom<br />
Trompetenjasminbach“ (Tiaoxi yu yin cong hua) <strong>des</strong> Hu Zi (erste Hälfte <strong>des</strong> zwölften Jahrhunderts) spiegelt das<br />
wider:<br />
„Zhang Wenqian (Zhang Lei; 1054-1114; d.V.) sagte: Wer nach den Tonregeln Gedichte schreibt, ist ein<br />
Nachzügler, doch von der Tang-Zeit bis heute hielten sich die Dichter streng daran. Einzig Luzhi (Huang<br />
Tingjian; d.V.) fegte das Alte wie das Neue hinweg. Aus seinem Empfinden heraus brach er mit den Tonregeln<br />
und schrieb Verse im Fünf- und Sieben-Silben-Metrum, (die klangen,) als wären Metall und Stein noch nicht<br />
erschaffen und Glocken und Klangsteine tönten schon harmonisch aus dem gewaltigen Geist jenseits der<br />
Tonregeln. Daß die neueren Schriftsteller sehr zu diesem Stil neigen, hat mit unserem (Zeitgenossen) Luzhi<br />
angefangen.<br />
Der verborgene Fischer vom Trompetenjasminbach will hierzu bemerken: In Gedichten im Alten Stil hält man<br />
sich nicht an Tonregeln und da sich darüber von der Tang-Zeit bis heute alle einig waren, lag nichts daran, mit<br />
den Regeln zu brechen. Der Stil bei Gedichten (im Neuen Stil; d.V.) mit den Tonregeln zu brechen, ist<br />
eigentlich vom alten Du (Fu begründet worden; d.V.). ... Die Dichtung <strong>des</strong> Luzhi erhielt ihre ursprüngliche<br />
Prägung von Du Shaoling (Du Fu). Was gibt es daran zu bezweifeln, daß er auch diesen Stil <strong>des</strong> alten Du<br />
aufnahm. Der alte Du schuf das Altertümliche aus seinem eigenen Selbst (zi wo), der Stil seiner Dichtungen ist<br />
nicht einheitlich. Was den gegenwärtigen Menschen daran gefällt, nehmen sie auf, so wie (Su) Dongpo, der in<br />
den Gedichten ..., die sämtlich im Stil der Alten geschrieben sind, von vorn bis hinten alles fein parallel und<br />
ergänzend durchkomponierte, so daß Diktion und Gedanke durchgehend eng verbunden sind. Auch das ist der<br />
Stil <strong>des</strong> alten Du. ...“ (Tiaoxi yu yin cong hua; Beijing 1984; J. 47, S. 319-320)<br />
126 Vergleiche auch: Karlgren, Bernhard; Analytic Dictionary of Chinese and Sino-Japanese; 1956, S.6f. Mit der<br />
Auswahl dieser Bezeichnungen soll darauf hingedeutet werden, daß sich aus dem Verhältnis von Eben- und<br />
Schieftönen (siehe weiter unten im Haupttext) innerhalb eines Verses <strong>des</strong>sen Tonlinie, also eine Kontur, ergibt,<br />
während die Unterscheidung von Hoch- und Tieftönen (siehe weiter unten) im Silbenanlaut für die Tonlage, also<br />
das Kopf- oder Brustregister, entscheidend ist.<br />
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