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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Alle Dinge gleich betrachten: was ist dann kurz, was ist dann lang? Der SINN kennt nicht<br />

Ende noch Anfang, nur für die Einzelwesen gibt’s Geburt und Tod. Sie können nicht<br />

verharren auf der Höhe ihrer Vollendung. Einmal leer, einmal voll, vermögen sie nicht<br />

festzuhalten ihre Form. (...) <strong>Das</strong> <strong>Das</strong>ein aller Dinge eilt dahin, wie ein rennen<strong>des</strong> Pferd. Keine<br />

Bewegung, ohne daß sich etwas wandelte (bian); keine Zeit, ohne daß sich etwas änderte.<br />

Was du da tun sollst, was nicht tun? Einfach der Wandlung (hua) ihren Lauf lassen. 279<br />

Der Wandlungsgedanke war einerseits nötig, um die Formen der Vergangenheit und<br />

Gegenwart substantiell zu verbinden und dem Verbindenden - bei Yang Wanli zuvor<br />

„Geschmack“ genannt - einen Grund jenseits der ästhetische gegensätzlichen Formen zu<br />

geben; andererseits stellt er aber auch den Sinn individueller Tätigkeit - zumal auf geistigem<br />

Gebiet - deutlich in Frage. Wozu soll sich das „Einzelwesen“ erst entfalten, wenn es sein<br />

Selbst anschließend doch in nichts mehr wiederfindet? Diese Zweifelshaltung wurde auch auf<br />

die Geistesgeschichte übertragen. Der Wandel literarischer Genres in der Vergangenheit und<br />

das Aufkommen neuer Formen der Gegenwart schienen dieselbe widersprüchliche<br />

Notwendigkeit in sich zu bergen, nach der jede neu entstehende literarische Form zwar das<br />

Ergebnis einer Suche nach Wahrheit ist, aber letztlich immer nur eine Abwertung derselben<br />

bedeutet. Die Antwort <strong>des</strong> Individuums auf diese Kritik an sich selbst und am Zeitgeist ist,<br />

zumin<strong>des</strong>t unter den Dichtern in der Umgebung <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s, der scheinbar nicht mühelose<br />

Versuch, das Entstandene zunächst wertfrei aufzubewahren oder, mit den Worten Zhuangzis<br />

(Wilhelms), „einfach der Wandlung ihren Lauf zu lassen“, indem das Schaffen <strong>des</strong> Einzelnen<br />

als unerläßlicher, wenn auch niemals absoluter Teil der „Wandlung“ begriffen wird. Dichtung<br />

als notwendiges, aber vom nie endgültigen Wechsel der Gestalten immer verhülltes Ideal.<br />

Eine auf diesem Wandlungsgedanken aufbauende Selbstkritik, die das eigene <strong>Werk</strong> in die<br />

skeptische Betrachtung <strong>des</strong> Zeitgeistes einschließt - vielleicht um auf diesem Wege das<br />

Interesse dafür zu wecken - finden wir in Lu Yous „Vorwort zu den ci-Dichtungen“ (Chang<br />

duan ju xu), das, passend zum Genre, die musikalische Form der Dichtung in den<br />

Vordergrund rückt, aber anfangs denselben grundsätzlichen Gedanken äußert, den <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s<br />

erster Satz enthält:<br />

Die wahre Musik ist unbegreiflich 微 (wei). Deshalb gab es die dekadenten Melodien<br />

(der Chunqiu-Staaten) Zheng und Wei. Zwar wandelten sich (bian) Zheng und Wei, doch die<br />

Instrumente Qin, Se, die Bambusflöten und die Klangsteine blieben noch übrig. Dann<br />

verwandelten sie sich in die Holzschlagzeuge aus Yan, die fou-Trommel aus Qin und in die<br />

Piba und Harfen der nördlichen Barbarenstämme. <strong>Das</strong> war abermals ein Wandel zur<br />

(dekadenten) Musik von Zheng und Wei. Nach den (poetischen Formen <strong>des</strong> Shi jing),<br />

guofeng, ya und song kamen die sao (in der Tradition <strong>des</strong> Lisao Qu Yuans), die fu-<br />

Dichtungen etc. 280 . Erst nach über tausend Jahren wurden die Worte wieder nach Melodien<br />

279 Wilhelm; Dschuang Dsi; S. 185 & Zhong, Tai; S. 375<br />

280 Es wird eine exemplarische Reihe wichtiger lyrischer Genres genannt, die zwischen der Han- und der Tang-<br />

Zeit entstanden.<br />

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