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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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während in Han Yus Text der Dialekt im folgenden eine große Rolle spielt. In<strong>des</strong>sen die<br />

beiden Weltmänner zunächst unter sich ein Gespräch über Dichtung pflegen, bemerkt der<br />

Fremde auf einmal in der Herdstelle einen altertümlichen Dreifuß und fordert dazu auf, das<br />

wundersame Fundstück gemeinsam zu bedichten (eine der unter Literaten üblichen<br />

Gepflogenheiten, die dem Zweck diente, bei geselligen Anlässen sein poetisches Talent zu<br />

enthüllen). Spontan fühlen sich die beiden anderen ausschließlich angesprochen und verfassen<br />

jeweils zwei Verspaare. Der Fremde scheint daraufhin noch nicht befriedigt und schlägt vor,<br />

selber einige Verse zu dichten. Er verstehe jedoch nicht die Schrift der Menschenwelt, und<br />

bittet daher Shifu um den Dienst, seine Worte schriftlich festzuhalten. Kurzum, Xuanyuan<br />

Miming dichtet mündlich in seinem Heimatdialekt und überläßt dem erfahrenen Hengshan-<br />

Pilger die Übersetzung in die Schriftsprache. Mit der Zeit bringt er die beiden anderen<br />

zunehmend in Verlegenheit, sodaß es zu guter Letzt nur noch an ihm selber ist, das Gedicht<br />

zu vollenden. Abermals muß nun Shifu einen beeindruckenden poetischen Erguß <strong>des</strong><br />

Sonderlings zu Papier bringen. Die anfängliche Arroganz der beiden wird zum Schluß bitter<br />

bestraft:<br />

Nachdem Shifu mit dem Schreiben fertig war, sollte er es vorlesen. Als dieses geschehen war,<br />

sprach (Xuanyuan Miming) zu den beiden: „Dieses taugt ja nicht einmal für die gesprochene Rede<br />

(語), wie erst sollte es dann Literatur (文) sein!? Durch das, was ihr könnt, vollende ich schreibend;<br />

nicht ich bin es, der sein Können erst bei Shi lernen muß! Mein Können vermögt ihr beiden gar nicht<br />

zu begreifen - aber was habt ihr dann bloß mit Literatur (文) zu schaffen?! Ich halte meinen Mund.“<br />

Die beiden waren zutiefst erschüttert, sprangen von ihren Matten auf und redeten ihn mit<br />

ehrfürchtiger Gebärde an: „Wir wagen nicht mehr zu fragen, nur ein letztes Wort noch! Der<br />

Zuvorgeborene hat gesprochen: ‚Ich verstehe nicht die Schrift der Menschenwelt.’ - Dürften wir wohl<br />

fragen, welche Schrift es dann ist, die er versteht? Diese allerletzte Antwort nur laßt uns noch hören!<br />

Mehrmals versuchten sie es ohne Erfolg, dann setzten sich beide unzufrieden mit sich selber auf ihre<br />

Plätze. ... 516<br />

Als echten Daoisten überkommt Xuanyuan Miming darauf die große Gleichgültigkeit<br />

gegenüber der Welt. An die Wand gelehnt, schläft er unter donnerndem Schnarchen ein, und<br />

die beiden ihrer verblendeten Dummheit Überführten, die in ihrer Verwirrung später ebenfalls<br />

von der Müdigkeit überwältigt werden, können am folgenden Tag nur noch feststellen, daß<br />

der Unbekannte spurlos verschwunden ist.<br />

Da <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> ebenfalls in der Gegend <strong>des</strong> einstigen Königreichs Chu aufgewachsen war,<br />

sprach er also den Dialekt <strong>des</strong> ruoshi, und wenn dieser tatsächlich mit dem oben geschilderten<br />

Daoisten identisch ist, dann kam jener Zufall seinem beschränkten Sprachvermögen<br />

notwendig entgegen: nur so lohnte es sich für ihn sicher, den Versen Gehör zu schenken. Die<br />

ein Min<strong>des</strong>tmaß an Schicklichkeit unter Gebildeten mit Füßen tretende Ungeschliffenheit<br />

eines engstirnigen Waldkauzes wird von <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> weit weniger betont, als in dem oben<br />

516 Die Übersetzung folgt der Version in Li, Fang; Taiping guang ji; J. 55, S. 339f.<br />

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