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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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wird, nämlich die äußere und reale Verkörperung <strong>des</strong> subjektiven Gefühls 情 (qing) 185 , dort<br />

der Liebe, hier der Trauer...von vergangnen Dingen 往事. Beide Gedichte haben gemein, daß<br />

das Bewußtsein der Gegenwart von einer Sehnsucht nach etwas - für den Augenblick, bzw.<br />

für immer - Verlorenem überkommen wird und so jener Melancholie verfällt, die<br />

gewissermaßen im Grundton der frühen ci-Dichtung enthalten war. Aber während bei Wen so<br />

gut wie keine Differenzierung der subjektiven Vorstellung von Zeit und Raum stattfindet,<br />

sondern jene vielmehr ganz in der Unmittelbarkeit eines „Hier-und-jetzt“ zu stehen scheint (-<br />

„er“ war eben noch hier und ist jetzt fort -), wird bei Li dieses Gefühl zwischen dem Anfangs-<br />

und Schlußcouplet mehrfach reflektiert und verändert. Schon in der Bedeutung von<br />

vergangnen Dingen (wang shi) kann sowohl die historische, wie auch die intime<br />

Vergangenheit <strong>des</strong> Einzelnen enthalten sein 186 . Bei<strong>des</strong> wird auch im folgenden sehr stark<br />

vermischt. Im Kontext der ci-Dichtung klingt in den moosüberwachsenen Stufen (Vers 3),<br />

dem Perlenvorhang (Vers 4 ) und den jadene(n) Paläste(n) und Gemächer(n) (Vers 9) die<br />

Erinnerung an das prächtige und gesellige Hofleben an, das nun zu den vergangnen Dingen<br />

gehört. Die Verse 6 und 7 sprechen jedoch vom Verlust der Herrschaft und der Kräfte, die ja<br />

den Herrschenden allein durch den himmlischen Willen zukommen und rühren damit an einen<br />

Bereich außerhalb <strong>des</strong> Privaten. Die Verse 5, 8 und 10 tragen das Wesentlichste zu Struktur<br />

und Gehalt <strong>des</strong> Textes bei, indem sie einen Gegenpol zu dem reinen Gefühl der Trauer um das<br />

für immer Vergangene aufbauen, nämlich die im Verlauf der Verse allmählich erwachende<br />

Erkenntnis, das alles nicht war und alles nichtig ist. In der rhetorischen Frage, wer denn noch<br />

kommen solle, wird die, zunächst nur über den Schein der herbstlichen Jahreszeit vermittelte<br />

Leere <strong>des</strong> Hofes auch essentiell (durch die Gewißheit <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong>) bestätigt. In Vers 8 ist der<br />

...glanz 華, welcher eigentlich im Leben <strong>des</strong> sich Erinnernden gewohnt war, beim<br />

unbeteiligten und fernen Mond... 月; und in Vers 10 ist schließlich das ganze köstliche<br />

herrschaftliche Leben, das der Dichter nun hinter sich weiß, zum leere(n) Schein 空照<br />

geworden.<br />

185 Eine ausführliche Kritik <strong>des</strong> Begriffspaares qing-jing - „Gefühl und Landschaft“/“Idee und Wirklichkeit“ -<br />

im Kontext der traditionellen chinesischen Ästhetik unternimmt Wolfgang Kubin in Anlehnung an einen<br />

Aufsatz von James Y. Liu („3 worlds in Chinese poetry“; in: Journal of Oriental Studies, Vol. 3 (1956); S. 279-<br />

290). Kubin versucht anhand von Beispielen zu zeigen, daß jing, in der shi-Dichtung als Gesamtheit der<br />

dargestellten äußeren Dinge, in verschiedenen Beziehungen zu qing, als subjektives Bewußtsein, stehen<br />

kann.(Kubin; Tu Mu; S. 54-61) Diese Differenziertheit der Wahrnehmung hatte sich in der shi-Dichtung<br />

besonders während der Tang-Zeit entwickelt und setzte ein intellektuelles Verständnis von Dichtung voraus, das<br />

die ci-Dichtung, solange sie noch einfach in der städtischen Unterhaltungskultur wurzelte, nicht forderte. Von<br />

daher scheint mir, als würde Li Yu in Vers 2 mit der Wahl <strong>des</strong> Ausdrucks vor dem Anblick (dui jing) tatsächlich<br />

ein für seine Textgattung damals noch ungewöhnliches Bewußtsein wachrufen. - Eine eigene qing-jing-Ästhetik<br />

entwickelte natürlich auch Wang Guowei im Rahmen seiner „Theorie der subjektiven Dichtkunst“, die<br />

Kogelschatz auf S. 288 - 294 näher erläutert.<br />

186 ZWDCD:10293.22<br />

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