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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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2.<br />

Beim Dichten mit den Alten übereinstimmen zu wollen, ist etwas anderes, als von ihnen<br />

verschieden sein zu wollen. Von den Alten verschieden sein zu wollen, ist etwas anderes, als nicht mit<br />

ihnen übereinstimmen zu wollen und nicht anders zu können, als übereinszustimmen, oder nicht<br />

verschieden sein zu wollen und nicht anders zu können, als verschieden zu sein.<br />

Dort, wo es absichtlich um die Dichtung geht, da sucht man bald mit den Alten übereinzustimmen,<br />

bald sucht man von den Alten verschieden zu sein. Wo aber keine Absicht auf die Dichtung gerichtet<br />

ist, da sucht man nicht mit den Alten übereinszustimmen und kann doch nicht nicht übereinstimmen,<br />

da sucht man nicht von den Alten verschieden zu sein und kann doch nicht nicht verschieden sein.<br />

Dieses Kommen gleicht dem Wind, dieses Anhalten gleicht dem Regen, wie (das Siegel) in den<br />

Siegellack gedrückt wird und wie Wasser im Gefäß. Ist es das, was Meister Su 255 mit seinem Kann-<br />

nicht-nicht-Sein meinte?<br />

Meine Dichtung kann sich mit diesen Ansprüchen nicht messen. Wenn sie sich damit nicht messen<br />

kann, dann sollte ich mich selber nicht unter den Schriftstellern einreihen. Da nahm ich, was ich<br />

früher schrieb, zusammen, / und warf es Stück für Stück in helle Flammen 256 , darauf wartend, daß (nur<br />

dasjenige übrig bliebe) das nicht nicht sein könnte, um es dann erst zu sammeln.<br />

Jener 257 sagte: “<strong>Das</strong> geht nicht! Die Wesen wandeln sich, indem sie sich häuten. Ohne sich zu<br />

häuten, behindern sie sich selbst. Gerade weil sie eine Haut haben, haben sie auch eine Wandlung. Ihr<br />

aber werdet gewandelt durch Dichtung, wie könntet ihr euch da durch eure alten Schriften selbst<br />

behindern? Deshalb bewahrt sie, bis andere Tage kommen.<br />

255 Su Shi<br />

256 Meine Vermutung, daß hier ein Doppelvers in die Prosa eingeflochten ist, den ich in der Übersetzung<br />

wiederzugeben versuchte, stützt sich auf zwei Beobachtungen. Die erste ist semantischer und metrischer Art:<br />

Die acht Schriftzeichen ergeben zwei Hauptsätze von identischer Länge und Zusammensetzung. Dieser<br />

syntaktische Parallelismus allein läßt sich ohne Mühe auch an anderen Stellen <strong>des</strong> Textes finden, und ist ein<br />

übliches Stilelement der Prosa. Dazu lesen sich die Lautungen von zuo und huo auch im späten<br />

Mittelchinesisch und unter Berücksichtigung <strong>des</strong> Guangyun-Wörterbuches u.U. reimend (siehe Pulleyblank;<br />

Lexicon of reconstructed Pronunciation; S. 135 u. & 425 o.). Die zweite Beobachtung bezieht sich auf den<br />

Inhalt der Verse: Wie noch an weiteren Beispielen im Verlauf dieses Abschnittes zu sehen sein wird, ist das<br />

Verbrennen der eigenen <strong>Werk</strong>e ein schon vor <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> reichlich gebrauchter, vielleicht sogar recht abgenutzter<br />

Topos gewesen. Es ist nicht unbedingt ein realer Akt, von dem hier die Rede ist, sondern vielmehr eine<br />

bestimmte, in poetolgischen Schriften der Zeit oft angenommene bzw. diskutierte Haltung, die vielleicht Demut<br />

<strong>des</strong> Einzelnen gegenüber dem Anspruch „wahrer Dichtung“ ausdrücken sollte. In jedem Fall ist sie aber die<br />

vorläufige Konsequenz einer demütigenden Erkenntnis der Unzulänglichkeit der eigenen Produktion. Dergestalt<br />

ist in ihr der Höhepunkt einer Bewußtseinskrise versinnbildlicht, die, wie sich zeigen wird, in den Augen der<br />

Zeitgenossen wesentlich zur dynamischen Entwicklung der Song-Dichtung beitrug. Der vorübergehende<br />

Übergang <strong>des</strong> Textes zur gebundenen Sprache im Sinne einer Exponierung der Textstelle erscheint mir auf<br />

diesem Hintergrund nachvollziehbar.<br />

257 Offen bleibt, wer hier jener Gemeinte ist. Bezieht sich der Text damit wieder zurück auf das Gespräch unter<br />

Dichterfreunden im ersten Vorwort?<br />

141

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