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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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stille Hingabe eines gewissen Zeitgenossen und Blumenfreun<strong>des</strong> namens Liu zu sprechen<br />

kommen, unterstreicht eine Abgeklärtheit, in welcher die inneren Schwankungen, die die<br />

erste Strophe deutlich spüren ließ und die im ersten Teil der zweiten nachklingen,<br />

ausgeglichen sind.<br />

Ein Zusammenfassen der Beobachtungen aus beiden Gedichten läßt nun erkennen, daß zu<br />

dem gemeinsamen Päonien-Motiv auch noch eine vergleichbare inhaltliche Strukturebene<br />

kommt, nämlich die Diskrepanz zweier getrennter Zeiträume (einst und jetzt).<br />

In „Yangzhou“ wird diese Diskrepanz in verschiedenen Stadien dargestellt: zunächst<br />

durch das persönliche Empfinden (Vorwort), dann durch den diskursiv aufgebauten<br />

Gegensatz von gegenwärtiger und vergangener Wahrnehmung <strong>des</strong>selben Ortes (Strophe 1 und<br />

2, Vers 12 bis 16) und schließlich durch die kontemplative Vorstellung eines Gefühlsobjektes<br />

(Vers 17 bis 20), in dem das im Ansatz noch subjektive Erleiden von Zeit geschaut wird. Von<br />

einer „dramatisierenden Darstellung“ wie bei Su Shi, kann hier keine Rede sein, denn das<br />

Leiden wird nicht in der Person zur Schau gestellt, sondern von einem unpersönlichen<br />

Textsubjekt her betrachtet. Diese Situation ist in „Modulation zur Seite“ bereits von Anfang<br />

an gegeben. Ein persönlicher Erlebniszusammenhang wird gar nicht erst mittels eines<br />

Vorwortes rekonstruiert; die Päonie vertritt, wie es der Untertitel ankündigt, seine Stelle. An<br />

ihr wird das Erleiden der Zeit deutlich - zwar unter menschlichem Blick, der ihr menschliche<br />

Gebärden (Schreibbewegungen, Lachen) ansieht, aber scheinbar frei von persönlichen<br />

Konnotationen. In Strophe 2 scheint sich das auf den ersten Blick zu ändern, aber wir haben<br />

annehmen dürfen, daß die Frage-Floskel Wer erinnert sich an mich... wieder nur ein Gefühl<br />

<strong>des</strong> Verlassenseins ausschmückt, ohne das Fragesubjekt dem inhaltlichen Kontext<br />

einzubinden. Dieser besteht hier aus allem, was die Yangzhou-Topik an poetischen Motiven<br />

zu bieten hatte - Klage um verflossene Jugend, den kulturellen Niedergang durch die<br />

Geschichte - und aus nichts was eine seelische Struktur <strong>des</strong> Ich verriete. Erst die letzten vier<br />

Verse brechen diesen programmatischen Kontext überraschend auf, indem sie zu einer dritten<br />

Person (Herr Liu) überspringen. Durch diesen Sprung wird das Päonien-Motiv schlagartig<br />

von der Schwermut, die ihm anhing, befreit und wird durch die Perspektive <strong>des</strong> Dritten zum<br />

Gegenstand der reinen Kontemplation, als der es von menschlichen Gefühlen nicht mehr in<br />

Mitleidenschaft gezogen wird. Ist dies nun eine Haltung, die der Dichter letztlich doch noch<br />

für seine eigene ausgibt? Gleichwie man sich bei diesem Einzelbeispiel entscheiden mag, in<br />

beiden Textbeispielen ist der Umgang mit dem Päonien-Motiv und den ihm zugeordneten<br />

inhaltlichen Elementen ein Indiz für eine in der Textstruktur bewußt angelegte Ambiguität im<br />

Verhältnis von Stimme(n) und Person.<br />

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