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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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so erscheint es abwegig, 橫陳 (“ausgestreckt”) auf ein Ich als (männlichen) Insassen <strong>des</strong><br />

Bootes zu beziehen; dafür läßt sich aber dieser im Text exponierte Ausdruck zusammen mit<br />

xiao als Anspielung auf die letzten beiden Verse eines Vierzeilers <strong>des</strong> Tang-<strong>Dichters</strong> Li<br />

Shangyin (813?-858) beziehen:<br />

DAS NÖRDLICHE QI 552<br />

Mauern stürzen ein und Reiche gehn unter, wenn sie einmal lacht.<br />

Welch eine Last, welch’ ein Gestrüpp hat sie dann über sie gebracht?!<br />

Der Jadeleib der kleinen Lian lag hingestreckt die ganze Nacht,<br />

Es hieß: die Zhou-Armee nahm Jinyang ein, verloren ist die Schlacht!<br />

北齊<br />

一笑相傾國便亡<br />

何勞荊棘始堪傷<br />

小憐玉樥橫陳夜<br />

已報周師入晉陽<br />

Auf dem Hintergrund ist freilich diese Stelle für die vieldeutige Struktur <strong>des</strong> gesamten<br />

Textes und für die Komposition am aufschlußreichsten. Aus dem Melodieverlauf der ersten,<br />

zweiten und dritten Phrase der zweiten Strophe hören wir nun eine Steigerung, die nicht allein<br />

das Bild der schwebenden Wolke musikalisch “untermalt” (siehe Liangs “word painting”),<br />

sondern den metaphorischen Gedanken, durch den das Auftauchen der schwebenden Wolke<br />

den im Boot Treibenden an die verführerische Schönheit einer Frauengestalt erinnert,<br />

suggestiv verstärkt. Wo die Melodie ihren höchsten Ton (e) erreicht, also in der dritten<br />

Phrase, trifft sie wieder mit dem, bis auf die vorangegangene Phrase identischen,<br />

Melodieverlauf der ersten Strophe zusammen. An derselben Stelle, die für die musikalische<br />

Abstimmung beider Strophen entscheidend ist, befindet sich auch die “Symmetrieachse” <strong>des</strong><br />

Textes, denn in den Versen 2 und 6 ist eine vertikale Raumordnung verankert: der Himmel<br />

scheint sich auf der Wasserfläche zu spiegeln! - Für die Interpretation von <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s ci kann<br />

also eine kritische Beschäftigung mit der dazu komponierten Melodie, sofern sie erhalten ist,<br />

hilfreich sein, auch wenn die musikwissenschaftliche Forschung aufgrund mangelnder<br />

Vergleichsmöglichkeiten ihre bisherigen Ergebnisse meist unter großen Vorbehalten äußert.<br />

Der eigentliche Gegenstand dieser Untersuchung, die Strukturmerkmale der yongwu-<br />

Form, wurde bislang absichtlich hinausgezögert, um ihn vor dem mittlerweile erkennbaren<br />

Hintergrund entwickeln zu können. <strong>Das</strong> vorläufige Fazit der bisherigen Interpretation lautet:<br />

Die Situation <strong>des</strong> Textsubjektes ist die eines Reisenden, der während einer Bootsfahrt seinen<br />

Gedanken nachhängt. Daß diese sich wie widerstrebend und jedenfalls nicht leicht und<br />

552 Li, Shangyin; Li Shangyin shi ji shu zhu; Beijing 1985; S. 32; wiedergegeben ist hier nur der erste der beiden<br />

Vierzeiler unter demselben Titel. Meine Übersetzung ergänzt in Vers 3 mit auf Ruinen den Sinn, den der<br />

Originaltext nur indirekt über eine Anspielung andeutet.<br />

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