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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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entspricht. <strong>Das</strong> direkte Gegenüber bei Lu (Ximei) ist hier nicht nur auf den ersten Blick<br />

irritierend anonym. Auch auf den zweiten Blick, wenn nämlich die Verflechtung beider Texte<br />

erkannt und ein Rückbezug auf das Gedicht Lu Guimengs möglich geworden ist, bleibt diese<br />

Frage noch offen.<br />

Ich möchte hier noch den Hinweis auf eine Interpretationsmöglichkeit geben, die<br />

vielleicht manchem als zu gewagt erscheinen mag, die aber Schluß und Anfangsvers eng<br />

korrespondieren läßt.<br />

Die in den drei Leben enthaltenen Zeitstadien sind nach buddhistischer Vorstellung auch<br />

Entwicklungsstufen eines geistigen Prozesses, der vom Ursprung ausgeht und in die<br />

Vollkommenheit einmündet. Daß <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> im ersten Vers auf diesen Prozeß anspielt, kann<br />

als sicher gelten, nur fragt sich, wie ernst er es mit den drei Stadien meint. Mit Blick auf Lu<br />

sind aus <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s Perspektive jedenfalls nur zwei Stadien zu erkennen: die Gegenwart<br />

(<strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>) und die Vergangenheit (Lu Guimeng). Es gibt nun die Möglichkeit, den Ausdruck<br />

drei Leben eher umgangssprachlich zu verstehen, d.h. ihn weniger wörtlich zu nehmen und<br />

anstatt in einem der drei... nur eines der drei Leben, nämlich das der Vergangenheit zu<br />

lesen. 444 Dann könnte der erste Vers etwa Lu Himmelnach war ich gewiß in meinem früh’ren<br />

Leben lauten und die damit angeregte Vorstellung fiele bedeutend allgemeiner aus. Wenn<br />

aber die drei Leben konsequent auf die buddhistische Reinkarnationslehre bezogen werden,<br />

so folgt daraus, daß zu den Stadien der Vergangenheit und der Gegenwart auch noch das der<br />

Zukunft hinzugedacht werden müßte. Die Motivation <strong>des</strong> Reisenden, auf<br />

Heimkehrwegen...in’s neue Jahr zu kommen, läßt sich einerseits ganz vordergründig auf <strong>Jiang</strong><br />

<strong>Kui</strong>s Rückfahrt über den Taisee deuten, andererseits enthält sie aber auch klar diejenigen<br />

Elemente, die auf das „dritte Stadium“ weisen, das in der Zukunft (Neujahr) und in der<br />

Erfüllung <strong>des</strong> Schicksals (Heimkehr) liegt. Damit wäre der Anonyme, den <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> am Ende<br />

seiner Reise bittet, ihm den Schnee abzuklopfen, jener noch nicht Geborene, in <strong>des</strong>sen<br />

künftigem <strong>Das</strong>ein sich die Schicksalslinie, die von Lu ausgeht und über <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> läuft,<br />

vollendet.<br />

Ein im Vergleich zu Lus Gedicht völlig anders gearteter Gedanke, der aber in der Form,<br />

wie ich ihn hier nachzuzeichnen versucht habe, ein für <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s Stil sehr bezeichnen<strong>des</strong><br />

Abstraktionsvermögen ausdrückt. Yang Wanli, dem die zehn Gedichte Vom Autor<br />

zugeschickt wurden, lobte vielleicht gerade diese Eigenschaft, als er von einer<br />

„unergründlichen Gedankentiefe, aus Wolken und Mondlicht gewoben“ 裁雲縫月之妙思<br />

444 <strong>Das</strong> tut etwa Liu Naichang in: <strong>Jiang</strong> Baishi shi cixuan zhu; S. 43<br />

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