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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Gerade weil sie (die Insekten) eine Haut haben, haben sie auch eine Wandlung. Ihr aber<br />

werdet gewandelt durch Dichtung, wie könntet ihr euch da durch eure alten Schriften selbst<br />

behindern. Es ist nicht das Ziel, einen „einheitlichen Stil“ zu finden, sondern sich durch<br />

Ausprägung <strong>des</strong> Stils solange zu entwickeln, bis er, wie eine Larve, von der Persönlichkeit<br />

abfällt. Was aber für den Einzelnen und seine individuelle Dichtung zutrifft, war bei <strong>Jiang</strong><br />

<strong>Kui</strong> schon vorab axiomatisch als grundlegende Beziehung zwischen der Dichtung als solcher<br />

und ihren geschichtlichen Erscheinungsformen festgestellt worden: Dichtung hat<br />

ursprünglich keinen Stil... . Die Entfaltung der Persönlichkeit <strong>des</strong> „Edlen“ durch Dichtung<br />

und die Entwicklung in der Literatur folgen derselben Gesetzmäßigkeit.<br />

Ein Dichter wie Yang Wanli, <strong>des</strong>sen Ansehen zu Lebzeiten noch weit über dasjenige<br />

nachmals berühmterer Zeitgenossen hinausragte 272 , würde sich nicht in zahlreichen<br />

Vorworten über seine persönlichen Schreibkrisen und deren Wirkungen auf seinen Stil und<br />

sein dichterisches Selbstbewußtsein ausgelassen haben, wäre er sich nicht der<br />

symptomatischen Bedeutung derartiger Selbstreflexionen sicher gewesen.<br />

Im Mittelpunkt <strong>des</strong> individuellen geistigen Reifeprozesses steht bei beiden Dichtern das<br />

Erlebnis <strong>des</strong> „Erwachens“ 悟 273 , <strong>des</strong>sen Bezeichnung der chan-buddhistischen Terminologie<br />

entlehnt ist, wo sie auf das Erfahren einer göttlichen Wahrheit als vorübergehenden, aber<br />

heiligen Moment deutet. Auf den literarischen Kontext übertragen meint „Erwachen“ einen<br />

Punkt im geistigen Entwicklungsprozeß <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong>, an dem dieser in das Geheimnis seiner<br />

Kunst 妙 274 eingeweiht ist. <strong>Das</strong> freilich bedeutet nicht, daß er von nun ab wie ein göttliches<br />

Wesen über die Sprache herrschen könnte, eher vielleicht schon wie ein Magier. Er ist<br />

lediglich in einen Zustand getreten, der die verborgenen Gesetze seiner Kunst aus ihm selbst<br />

heraus wirken läßt. Von diesem Punkt der Entwicklung an sind die literarischen Vorbilder<br />

nicht mehr Ziel <strong>des</strong> Nachahmens, sondern ihre Nachahmung führt bewußt zum Ziel der<br />

Weiterentwicklung der eigenen Sprache.<br />

272 Hu Ming bemüht sich in seinem Ausfatz über Yang Wanli nahezu vehement um eine prinzipielle<br />

Gleichsetzung mit dem traditionell und bis heute weitaus bekannteren und geschätzteren Lu You. Er weist<br />

darauf hin, daß erst während der Qing-Dynastie im 18. Jahrhundert und mit der Autorität <strong>des</strong> Qianlong-Kaisers<br />

das „patriotische“ Genie <strong>des</strong> Lu You über seine Zeitgenossen gestellt worden sei. Dagegen zitiert er eine<br />

ansehnliche Reihe von Zeitgenossen Yangs und Lus, die ersteren eindeutig als die größte Begabung ihres<br />

Zeitalters würdigen. (Hu Ming; S. 45ff.)<br />

273 Dieser Terminus ist von den Song-Dichtern, besonders denen, die unter dem Begriff „<strong>Jiang</strong>xi“ gesehen<br />

werden, aus dem ursprünglich religiösen Kontext frei auf die Dichtung übertragen worden, und wurde allgemein<br />

zur Bezeichnung <strong>des</strong> in der geistigen Entwicklung entscheidenden Schlüsselerlebnisses verwendet. (Vergleiche<br />

Debon; Ts’ang-lang; S. 22ff.)<br />

274 Ich werde meinen Übersetzungsvorschlag für miao, als das „Geheimnis der Kunst“ oder schlichtweg „die<br />

Kunst (etwas wirklich werden zu lassen)“, der sich von Debons „wunderbar“ bzw. „mystisch“ (Debon; Ts’anglang;<br />

S. 251) bewußt unterscheidet, bei der Behandlung der Poetik begründen.<br />

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