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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Zartes Gras durchbohrt den Ufersand, der Schnee zerschmolz erst fast,<br />

Nebelkälte über weiten Wassern unterm Wu-Palast.<br />

In Bambushainen Winterpflaumen - und kein Mensch ist zu sehn.<br />

Ihr Duft weht vor den Brücken aus Stein, die Nacht lang ohne Rast.<br />

細草穿沙雪半銷<br />

吳宮煙冷水迢迢<br />

梅花竹裏無人見<br />

一夜吹香過石橋<br />

Es ist, als begleite der Duft aus dem Garten <strong>des</strong> Freun<strong>des</strong> den Heimreisenden noch von<br />

Brücke zu Brücke durch die nächtliche Einsamkeit. Diese Einsamkeit ist aber das wesentliche<br />

inhaltliche Kontinuum der ganzen Gedichtfolge. Bald scheint sie sich, wie oben, in der<br />

Landschaft auszubreiten und deren historische Schicksalhaftigkeit - den Untergang <strong>des</strong> Wu-<br />

Reiches - in die Melancholie <strong>des</strong> Reisenden mit einzubeziehen, bald führt sie durch tiefe<br />

Grübelei aus der Gegenwart an einen nicht unmittelbaren Ort, beispielsweise in der<br />

Erinnerung, wie im folgenden, dritten Gedicht:<br />

Die Bootsleute riefen sich zu, noch gar nicht ausgeschlafen,<br />

Da stieß schon mit feinem Geklirr durch das Treibeis der Staken.<br />

Ich sehe klar das Ankern damals, vor den Ufern von <strong>Jiang</strong>nan -<br />

Und auf dem Heck im Frühlingswind die Reiselampe blaken.<br />

黃帽傳呼睡不成<br />

投篙細細激流冰<br />

分明舊泊江南岸<br />

舟尾春風颭客燈<br />

In diesen Zeilen entwickelt sich aus der gegenwärtigen Situation der Bootsreise vom<br />

Ostufer der Taisees zurück an <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> damaligen Wohnsitz, den Trompetenjasminbach<br />

(Tiaoxi) am südwestlichen Ufer 437 , eine Erinnerung an die nunmehr fünf Jahre zurückliegende<br />

Reise über den Yangzi, die <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> für immer aus der im Westen liegenden Heimat fort<br />

nach <strong>Jiang</strong>nan führte. <strong>Das</strong> Gedicht schöpft seine Wirkungskraft im wesentlichen aus einer<br />

Täuschung <strong>des</strong> Lesers, der sich zunächst in ein lebhaftes Geschehen versetzt sieht: die<br />

Landevorbereitungen der Bootsleute, die wegen der zeitigen Ankunft früh geweckt wurden<br />

und sich, noch gar nicht ausgeschlafen, lautstark zurufen. In Vers 2 wird das Geschehen im<br />

Zeitraffer fortgesetzt, denn das Klirren <strong>des</strong> Eises und die Verwendung der Staken deuten<br />

darauf hin, daß das Ufer schon in unmittelbarer Nähe ist. Erst in Vers 3 wird das<br />

Erinnerungsmoment sichtbar gemacht: die Ankunft in <strong>Jiang</strong>nan geschah einst und zeigt sich<br />

in der Erinnerung noch als klare Wahrnehmung. Der Ausdruck 分明 (fen ming: Ich sehe<br />

klar...) ist hier wegen seiner Transparenz von entscheidender Bedeutung! Fen ming bedeutet<br />

in der herkömmlichen Schriftsprache (wie auch noch in der heutigen Umgangssprache)<br />

„klar“, „offenbar“, „deutlich zu unterscheiden, wie reich und arm, wahr und falsch“ etc. 438<br />

437 LDJ; 59-60, 6/2 & 6/3<br />

438 ZWDCD:1891.101.1&2<br />

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