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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Die Weiterführung dieser Beobachtung, zunächst separat in beiden Gedichten, dann im<br />

Vergleich, führt zur Entdeckung eines weiteren Gegensatzes zwischen Gegenwart und<br />

Vergangenheit, der die Erinnerung erst zu provozieren scheint und sich als maßgeblich für die<br />

Struktur der subjektiven Wahrnehmung erweist. Die jeweils ersten beiden Verspaare scheinen<br />

ganz in die Betrachtung der Außenwelt vertieft. Bei aufmerksamem Lesen der Bilder irritiert<br />

jedoch hier wie dort ein fast unnatürlicher Gegensatz von Wind (bzw. Herbstwind), der über<br />

das Land zieht und einer mit Glas verglichenen Wasserfläche, die zeitgleich erstarrt zu sein<br />

scheint. Nun wird im zweiten Verspaar von Gedicht 2 zunächst nur das Vorhandensein einer<br />

Erinnerung angedeutet, ohne deren Inhalt figürlich auszustatten. Jäh bricht sie ein in die sich<br />

soeben noch starr durchdringende, äußere Substanz von Wolkenhimmel und Seefläche. Boot<br />

und Fenster ersetzen Objekt und Subjekt als Teile einer nunmehr symbolisch-ereignishaften<br />

Wahrnehmung: im Boot sitzen die Liebenden während einer Lustfahrt über den See, am<br />

Fenster ist nur der mittlerweile vereinsamt Zurückgebliebene zu vermuten, den das<br />

Geschehen vor dem Fenster überrascht und aus der erstarrten (!) Ruhe in ein schmerzlich-<br />

bewegtes Erinnern stößt. <strong>Das</strong> Zweigpaar wird zur äußeren Chiffre eines Innenbil<strong>des</strong>, das erst<br />

im folgenden Gedicht bestimmtere Konturen annimmt.<br />

In Gedicht 3 wird zwar das Liebespaar nicht direkt als solches genannt, statt<strong>des</strong>sen lassen<br />

aber die Bezeichnungen ein buntes Boot, ein Pferd keinen Zweifel daran, daß hier zwei<br />

Liebende auf einem Deich - in der Umgebung von Städten oft als Promenaden oder<br />

Vergnügungsviertel genutzt – zusammentreffen. <strong>Das</strong> Paar steht jetzt im Wind von Weidengrün<br />

umschwebt. Seine „Unbesorgtheit“ 悠悠, die mit der Heiterkeit eines luftigen Frühlingstages<br />

verschmolzen und vergangen ist, sticht bewußt ab vom Kummer, den der Herbstwind tiefer<br />

um verwrr’ne Berge webt. Gegenwart und Vergangenheit sind auf ewig unvereinbar. Aus<br />

diesem Bewußtsein muß jene Starre resultieren, der das subjektive Bewußtsein im Grunde<br />

unterliegt.<br />

Beide Gedichte bestehen zur Hälfte aus reiner Landschaftsbeschreibung, in der sich die<br />

innere Starre (wie in Kristall das Bild der Wolken dringt & Silberwellen über tausend qing<br />

erstarren, ohne sich zu heben) <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong>, die Folge seiner Ergebenheit in den Schmerz,<br />

ausspricht. Erst im jeweils zweiten Verspaar kommt äußere Bewegung und Leben in die<br />

Szenerie, doch die Wahrnehmung bleibt auch dadurch nur starr auf das Vergangene, nämlich<br />

auf ein Paar, das im Gedicht mehr Erinnerungsbild als gegenwärtig ist, gerichtet. Wesentliche<br />

Elemente, die sich in diesem Gedichtpaar zusammenfügen, klingen auch unmittelbar davor<br />

und danach an. So ist etwa die Herbststimmung ein Kontinuum <strong>des</strong> ganzen Zyklus und das<br />

damit verbundene Sich-Erinnern an eine ferne und zeitlich längst verlorene Heimat ist das<br />

Schlußmotiv <strong>des</strong> Anfangsgedichtes. Forttreibende Lotospracht bedeutet das Ende <strong>des</strong><br />

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