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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Sieben-Silben-Maß bearbeitet hat. In dem folgenden, ersten der beiden Gedichte geht es ihm<br />

tatsächlich darum, eine - verlorene - „Freiheit <strong>des</strong> Ichs“ (Kubin) in Erinnerung zu rufen. Die<br />

Freiheit bleibt hier, obwohl sie scheinbar durch nichts bedrängt wird, ein vergangener<br />

Zustand, an dem das Ich offenkundig noch immer hängt und damit jedem Leser indirekt<br />

klarmacht, daß es eben nicht mit allem aufräumen kann:<br />

ERINNERUNG AN FRÜHERE WANDERUNGEN 452<br />

Zehn Jahre wie verweht, jenseits von Schnur und Elle.<br />

Ich setzte mir den Becher vor, ich sprach mir dabei zu.<br />

Herbstberg, Frühlingsregen, Plätze zum Säumen, Singen,<br />

An <strong>Jiang</strong>nans Klostertürmen – jedem – lehnte ich in Ruh’.<br />

念昔遊<br />

十載飄然繩檢外<br />

樽前自獻自為酬<br />

秋山春雨閑吟處<br />

倚遍江南寺寺樓<br />

<strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> gibt dagegen zwar sicher zu verstehen, daß er als arme Waise an keine<br />

Verantwortung gegenüber anderen gebunden war, aber gerade <strong>des</strong>wegen seine Jugendzeit<br />

nicht immer singend-unbeschwert verbrachte. Der Ansatz, den er seiner lyrischen Rückschau<br />

zugrunde legt, läßt eher noch an die autobiographische Selbstdarstellung denken, mit der er<br />

sich im selben Zeitraum, nur etwa zwei Jahre später, unter ungünstig veränderten, äußeren<br />

Bedingungen an sein Publikum und mögliche neue Gönner wendete. Hier wie dort rückt er<br />

seine Armut und eine gewisse Schutzlosigkeit gegenüber dem Schicksal in den Vordergrund,<br />

nur ist, neben der Verschiedenheit der Textgattungen, auch die der jeweiligen<br />

Lebenssituationen prägnant. Noch 1201 wägt sich <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> in vollkommener äußerer<br />

Sicherheit und nutzt seine Mußestunden, um das, was während der vergangenen Reisen<br />

erfreut oder beunruhigt hatte, vor sich selber zu ordnen. Nach 1203 sieht er sich dagegen<br />

wieder den Fährnissen und der Verzweiflung ausgesetzt, die im Grunde sein ganzes Leben<br />

und Denken bestimmten, denn auch unter den komfortabelsten äußeren Umständen blieb er<br />

immer ein von privater Gunst Abhängiger, der sich weder auf offizielle Anerkennung seiner<br />

Leistungen noch auf eigenen Erwerb stützen konnte.<br />

Hier erscheint das „Reisen von einst“ als Überbegriff eines mittlerweile abgeschlossenen<br />

Lebensabschnittes, als Gegenstand einer Erinnerung, die selber frei und gelöst ist von einer<br />

Ungewißheit zwischen Hoffnung und Angst. Noch vermag der Autor so zu tun, als sei er weit<br />

davon entfernt, jene bitteren Vorwürfe gegen seine Mitmenschen zu richten, die er sich zwei<br />

Jahre später kaum noch zu verhüllen bemüht. <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> hat diese Gelegenheit in sich zu<br />

452 Kubin; Tu Mu; S. 100. Chinesischer Text in: Du, Mu; Fan Chuan shi ji; S. 133<br />

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