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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Sinnleere <strong>des</strong> eigenen <strong>Das</strong>eins im Vergleich mit dem <strong>des</strong> Lu Guimeng, weil er sich von<br />

<strong>des</strong>sen poetischer Größe hoffnungslos entfernt glaubt?<br />

Es ist zumin<strong>des</strong>t deutlich zu sehen, daß ein Grundgefühl ungewollter Einsamkeit das<br />

Gedicht von Anfang an bestimmt und am Ende hart in seinen Bann schlägt. Im<br />

Landschaftsbild der ersten Strophe wird der Gedanke <strong>des</strong> Rückzugs und <strong>des</strong> geistigen<br />

Gelöstseins als Chiffre eingeflochten, doch die Ferne und Menschenleere <strong>des</strong> Bergpanoramas<br />

wirkt abgeschlossen und zurückweisend. In der zweiten Strophe wird dann an dem Wunsch<br />

nach einem gemeinsamen Leben mit Lu Guimeng deutlich, daß die Einsamkeit (der Gipfel!)<br />

keineswegs das Wunschziel <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s ist. Im Gegenteil, der Ort neben einer Brücke wäre<br />

alles andere als abgelegen, nämlich mitten im regen Verkehrstreiben der besiedelten Welt!<br />

Doch die zeitlichen Umstände ermöglichen nicht die Erfüllung <strong>des</strong> Wunsches. Der Geist Lu<br />

Guimengs, dem <strong>Jiang</strong> sich dennoch verwandt fühlt, ist in der Tat, wie die Gebirgsketten, fern<br />

und unnahbar, und auch die Weiden in der Nähe scheinen für den Vereinsamten jeglichen<br />

Reiz verloren zu haben.<br />

c) Selbstkritische Übernahme und Umwandlung <strong>des</strong> Rückzugsideals<br />

Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, daß <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> sehr bald schon auch die äußeren<br />

Diskrepanzen zwischen sich und Lu begriff und sie poetisch auslotete. An das Ideal <strong>des</strong><br />

Rückzugs, welches Lu in einer Form verkörperte, die seinen Ruhm in den Augen der<br />

Nachwelt unsterblich machte, konnte <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> mit seiner Lebensweise, in der sich der Status<br />

eines Privatmanns weniger mit individueller Freiheit, als mit existentieller Abhängigkeit<br />

verband, nicht ohne weiteres anknüpfen. Dennoch blieb er seinem Mentor Yang Wanli auf<br />

Dauer treu und hörte nicht auf, die angedeutete Geistesverwandtschaft in Betracht zu ziehen.<br />

Der wichtigste Bereich, in dem sich die Berührungspunkte zwischen beiden ansammelten, lag<br />

dort, wo auch Yang seinen Vergleich ursprünglich gezogen hatte: in der Dichtung. 436 Es<br />

scheint so, als habe sich <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> während <strong>des</strong> folgenden Jahrzehntes - nach 1187 und<br />

vielleicht auch länger - tatsächlich intensiv mit den shi-Dichtungen Lus beschäftigt und die<br />

436 Die verbreitete Auffassung, Lu Guimeng sei für <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> eine Art Prototyp <strong>des</strong> Verborgenen gewesen,<br />

<strong>des</strong>sen sozialer Status und äußere Lebensformen seinen eigenen so ähnelten, daß dies als Hauptgrund für die<br />

dichterische Annäherung anzunehmen sei, möchte ich keinesfalls gelten lassen. Auf <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s äußere<br />

Lebensbedingungen und seine soziale Stellung wurde bereits im ersten Kapitel eingegangen und nach allem,<br />

was sich zudem bisher über Lu Guimeng ermitteln ließ, wirken die beiden Außenseiterrollen eher wie extreme<br />

Gegensätze: der eine entschied sich freiwillig für Verzicht auf Wohlstand, Sicherheit und Ehre und für<br />

persönliche Freiheit, der andere blieb eher zur Freiheit im negativen Sinn gezwungen und sieht die einzige<br />

Möglichkeit, seinen Zustand positiv zu werten, in dem Ertrag für die Dichtung. Der eine verbringt sein Leben<br />

zum allergrößten Teil auf heimatlichem Boden, seine Dichtung spiegelt dies wieder in der intensiven<br />

Wahrnehmung und Mythologisierung der Landschaft und in der vertrauten Einbeziehung lebenslanger<br />

Bekannter und Freunde, der andere muß sich zu den Entwurzelten zählen und erleidet die Schmerzen der<br />

Trennung von Familie und Zuhause.<br />

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