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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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das Wort ich hinzugefügt werden mußte. Bei genauerer Betrachtung der beiden Verse wird<br />

erkennbar, daß ihre jeweils neun Silben über zwei verschiedene Strukturebenen verteilt sind:<br />

auf der ersten befindet sich eines der oben angeführten Silbenpaare, die prosodisch als<br />

“untergeordnete” Kola 554 zu verstehen sind, die zweite Strukturebene besteht aus drei<br />

weiteren Kola, die ersten beiden zu je zwei Silben, das letzte dreisilbig. Damit ergibt die<br />

zweite Ebene einen vollständigen Sieben-Silben-Vers, der zudem in beiden Fällen auch<br />

grammatisch für sich bestehen könnte; d.h. die beiden, eine Ich-Position andeutenden Silben<br />

am Anfang erlangen keinesfalls das rhythmische Gewicht der folgenden Versteile. 555<br />

Besondere Beachtung verdient m.E., daß die zweite Strukturebene nicht isoliert innerhalb<br />

der Strophe steht, sondern in den siebensilbigen Anfangsversen wieder auftaucht. Wenn wir<br />

nun alles auf dieser Strukturebene befindliche Versmaterial in derselben Reihenfolge für sich<br />

lesen, entdecken wir einen in den Text <strong>des</strong> ling-ci eingebetteten Vierzeiler im Sieben-Silben-<br />

Metrum, der sich unter Berücksichtigung der Sinnveränderungen, die sich aus dem Wegfallen<br />

der Ich-Position ergeben, folgendermaßen übersetzen läßt:<br />

Die schönen Blüten bleiben nicht bei dem, der ihrem Duft verfiel:<br />

Mit dem Frühlingswind, kehrt er zurück, wirft Laubgrün seine Schatten -<br />

Ein Ruderpaar aus Eibischholz und jene Wolke aus dem Traum:<br />

Unten am Waisenberg auf der Suche nach lieblichen Reizen.<br />

好花不與殢香人<br />

春風歸去綠成陰<br />

木蘭雙槳夢中雲<br />

孤山山下覓盈盈<br />

Ganz offensichtlich bildet dieser “Vierzeiler” den Kern der yongwu-Form, denn hier<br />

äußert sich am stärksten und in einem vollkommen entpersonifizierten Gestus jenes Gefühl<br />

<strong>des</strong> Vergänglichen, das die zarte Schönheit und den Duft der Pflaumenblüten so reizvoll<br />

macht. Die Perspektive wird in der unbestimmtesten Weise, nämlich über das Metonym Ein<br />

Ruderpaar aus Eibischholz angedeutet und läßt jede Spur von Ich-Haftigkeit vermissen.<br />

Zugleich verschmilzt jene vage Perspektive mit dem Element <strong>des</strong> Traums, das die<br />

psychologischen Grenzen der Wahrnehmung verwischt und sie damit noch weitreichender<br />

entpersonifiziert. Der ästhetische Charakter dieses ci wird also im Kern von einer abstrakten<br />

553 In der Nähe dieser Stadt am Kaiserkanal, am Nordufer <strong>des</strong> Tai-Sees, besaß Zhang Jian eine Residenz, auf die<br />

er sich anscheinend öfters von Hangzhou aus zurückzog.<br />

554 Mit dem Begriff <strong>des</strong> Kolon ist hier die kleinste rhythmische Einheit eines Verses (auch “Sprechtakt” genannt)<br />

gemeint, die diesen als Glied einer Kette von Kola zusammenhält und, im Gegensatz zum Syntagma als<br />

grammatisch-logischer Einheit, durch keine Zäsur aufgebrochen werden kann. (Burdorf; S. 64-65)<br />

555 Es sei daran erinnert, daß in der Melodie jenes einzige größere Intervall in einer Phrase gerade diesen Punkt<br />

der metrischen Struktur der Strophe bezeichnet. Nun kann Liangs These <strong>des</strong> “word-painting” - die auf die zweite<br />

Strophe nicht mehr zutreffen würde - abermals dahingehend ergänzt werden, daß die Musik nicht nur<br />

Verbindung mit metrischen Zäsuren und einzelnen Worten zugehörigen, bildhaften Vorstellungen (wie der<br />

schwebenden Wolke) eingeht, sondern auch die gedankliche Struktur <strong>des</strong> Textes wiedergibt!<br />

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