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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Dichtkunst“ ansiedelte, kann hier nicht in der Komplexität, die Hermann Kogelschatz in<br />

seinem Buch über Wang Guowei und Schopenhauer vor Augen führt 175 , wiedergegeben<br />

werden. Allerdings ist es wichtig, zu bemerken, daß Wang in die „subjektive Dichtkunst“<br />

zwei scheinbar extrem entgegengesetzte Formen <strong>des</strong> Dichtens, die sogenannte „ichhafte“ (you<br />

wo) und „ichlose“ (wu wo) Lyrik einschließt. Diese Vereinigung erklärt sich Kogelschatz wie<br />

folgt:<br />

In welchem Sinn ist die ichlose Lyrik subjektiv? - Nun, in eben dem Sinn, in dem die<br />

ichhafte Lyrik es war, indem auch hier, auf seiten von wu wo, der Darstellende im Grunde mit<br />

dem Dargestellten zusammenfällt. 176<br />

Damit wird offensichtlich, daß in diesem Punkt der methodische Ansatz, für den in der<br />

Einleitung die Entscheidung gefallen war - nämlich die Dichtung <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s ungeachtet aller<br />

Tendenzen zu sprachlichen Strukturen, die einen subjektiven Standpunkt kaum festlegbar<br />

erscheinen lassen dennoch als subjektiv zu betrachten - gerade von Wang Guowei, dem<br />

modernen Gegner der Stilrichtung <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s, auf theoretischer Ebene geteilt wird. Für Wang<br />

ist die, grundsätzlich positiv bewertete, „subjektive Dichtkunst“ eben nicht an ein<br />

bekennen<strong>des</strong> Ich, das sein Verantwortungsgefühl für die Vorgänge der Außenwelt artikuliert,<br />

gebunden. Die Subjektivität, die dem ci-Dichter dort ausdrücklich gewährt wird, findet<br />

ebenso gut ihren Ausdruck in einer sprachlichen Struktur, in der das Subjekt die<br />

Wahrnehmung der Außenwelt so sehr von sich her bestimmt und durchdrungen hat, daß es<br />

darin mit dem Wahrgenommenen (nach Kogelschatz mit dem „Dargestellten“) eins wird.<br />

Daß die Trennung von Ich und Subjekt bei Wang von dem Gedanken motiviert ist, der ci-<br />

Dichter solle sich von der ihn nach außen verpflichtetenden Moral, in die er als Person<br />

eingebunden ist, befreien, um seine Seele unkonventionellen Wahrnehmungen zu öffnen, ging<br />

bereits aus dem oben zitierten Vergleich <strong>des</strong> ci-<strong>Dichters</strong> mit dem Neugeborenen, das noch<br />

keine Verhaltensnormen kennt, hervor. 177 An anderer Stelle wird Wang noch direkter, wenn<br />

er den ästhetischen Wert moralisch anstößiger Verse mit den Worten verteidigt:<br />

Achtet man nicht auf die obszönen und niedrigen Worte, so findet man sie (die Verse;<br />

d.V.) doch wahr. Mit den großen ci-Dichtern der Zeit der fünf Dynastien und der Nördlichen<br />

175 Siehe dazu die Diskussion in: Kogelschatz, Hermann; Wang Kuo-wei und Schopenhauer - Eine<br />

philosophische Begegnung, Wandlung <strong>des</strong> Selbstverständnisses der chinesischen Literatur unter dem Einfluß<br />

der deutschen Ästhetik; 1986, S. 272-310<br />

176 Kogelschatz; S. 293<br />

177 Dieser Gedanke hat möglicherweise Kapitel 20 <strong>des</strong> Laozi zum Vorbild, in dem sich der Sprechende ebenfalls<br />

mit einem Neugeborenen vergleicht, das die Verhaltensweisen und Normen seiner Umwelt nur verwirren und<br />

das seinen einzigen Wert blind in der Nahrung der Mutter findet. (Deutsche Übersetzung: Wilhelm; Dschuang<br />

Dsi; S. 60 & Übersetzung (französisch) mit Textkommentar: Duyvendak; Tao Tö King; S. 44ff.)<br />

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