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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Unendliches gegangen ist, die Grazie wieder ein; so daß sie, zu gleicher Zeit, in demjenigen<br />

menschlichen Körper am reinsten erscheint, der entweder gar keins, oder ein unendliches<br />

Bewußtsein hat, d.h. in dem Gliedermann, oder in dem Gott. 341<br />

Auch ein gewisser Fatalismus, der sich bei genauerem Hinschauen in der kleistschen<br />

Konzeption offenbart, trifft bei <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>, Yang Wanli, Lu You und einigen<br />

Geistesverwandten jener Generation auf verwandte Züge. Für Kleist ist der Mensch nun<br />

einmal dazu bestimmt, zwischen „Gliedermann“ und „Gott“ in die Bodenlosigkeit <strong>des</strong><br />

Unendlichen zu fallen. Um sich vor der Verzweiflung (und damit dem geistigen Tod) zu<br />

schützen, muß er glauben, daß ihn seine blinde Bahn von diesem zu jenem führt. Sein Glaube<br />

nährt sich durch das Streben nach Schönheit. Bei Yang Wanli konnte am deutlichsten<br />

beobachtet werden, wie sich steigende Selbsterkenntnis mit zunehmender Resignation mischt.<br />

Allein die Treue zur Dichtung, die ihre verschiedenen Brüche verkraftet und weiter geht,<br />

verleiht dem Leben Dauer, ohne es in einer Form, die es nicht halten kann, zu ersticken. <strong>Das</strong><br />

„Lebendige Wirken“, <strong>des</strong>sen aktuelles Konzept <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> von seinem älteren Mentor<br />

übernahm, ist somit kein Schlüssel zum aktiven Handeln innerhalb eines zielgerichteten<br />

Schaffensprozesses, sondern eher ein Schlüssel zum passiven Zurückfinden in einen nicht<br />

endenden Lebenszusammenhang, der nur als einzige Bestimmung endgültige Gewißheit<br />

enthält. Zweifellos geht hierin die Vorstellung <strong>des</strong> „Lebendigen Wirkens“ auf Laozi 73<br />

zurück:<br />

勇於敢則殺.勇於不敢則活 ... 天網恢恢疏而不失.<br />

Wer mutig wagt, der tötet; wer mutig nicht wagt, ist lebendig. ... Weit geknüpft sind die<br />

Maschen <strong>des</strong> Himmelsnetzes, locker (umspannt es das All), so daß dennoch nichts hindurch<br />

fallen kann.<br />

Nicht-Wagen 不敢 ist hier eine spezifizierte Variante <strong>des</strong> daoistischen Paradigmas <strong>des</strong><br />

weisen Nicht-Handelns 無為. Der bei Laozi möglichst weit und allgemeingültig gefaßte<br />

Gedanke wurde offensichtlich von einer Literatengruppe um Yang Wanli, der <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> als<br />

einer der Ersten angehörte, auf die Dichtung bzw. den Dichter übertragen. Demnach ist die<br />

erste Voraussetzung für das Gelingen eines Gedichts, daß der Dichter nicht als (mutwilliger)<br />

Beherrscher der Sprache auftritt, sondern, um an ein Wort Martin Heideggers anzuknüpfen,<br />

sich in den „Machtbereich der Sprache“ stellt. Dieser ergibt sich aus der Spannung zwischen<br />

341 Kleist; S. 830f.<br />

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