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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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zermürbte Gräser sieht der Blick taumelnde Krähen fliegen. - Alles spielt sich also vorerst<br />

auf dem trockenen Land ab. Prägnanter ist aber noch die Wortwahl bei den Ausdrücken im<br />

Nebel der Sorgen und geleiten die Sonne 562 , in denen Landschaft und Gefühl bereits eins<br />

scheinen, ohne daß zuvor überhaupt eine Möglichkeit bestand, dem Textsubjekt eine Position<br />

gegenüber der Landschaft zuzuschreiben. Damit kommt auch dem folgenden Vers, Sand wird<br />

vom Winde wirbelnd über öde Flächen geblasen, der das Eingangsbild abschließt, unmittelbar<br />

die Qualität eines fast surrealistischen Ausdrucks zu. Es scheint, als würde hier nicht die<br />

subjektive Phantasie frei - vom selbstbewußten Standpunkt aus - den Ausdruck gestalten,<br />

sondern als wäre sie traumhaft-assoziativ dem äußeren Zustand einverleibt.<br />

Obwohl der Text im folgenden nicht auf dieser Ebene imaginärer Struktur verweilt,<br />

sondern nach und nach deutlicher in die selbstbewußt-subjektive Struktur hineinführt, die mit<br />

der ebenso nach und nach erkennbaren inhaltlichen Nähe zum Vorwort übereinstimmt,<br />

hinterläßt dieser Anfang der ersten drei Verse bis zum Schluß eine Spur seiner Wirkung. Die<br />

zweite Versfolge (4 bis 6) liest sich erst einmal als Anspielung auf einen Bericht in der<br />

Biographie <strong>des</strong> Zhang Shang, eines hohen kaiserlichen Beamten der Han-Zeit, der regelmäßig<br />

nach Dienstschluß zu Pferd über die Zhangtai-Chaussee (Zhangtai jie) in der Hauptstadt<br />

Chang’an zu flanieren pflegte, natürlich vor allem der Frauen wegen, deren Gesichter er<br />

portraitierte. 563 Gerade die Anspielung beeinflußt allerdings die sprachliche Struktur<br />

dahingehend, daß das Subjekt nicht mehr so sicher angenommen werden kann, wie es<br />

möglich schiene, könnte man nichts merkend über sie hinweglesen. Die beiden Verse 4 und 5<br />

mit ihrer klaren Prädikat-Objekt-Konstruktion, die in der Übersetzung wörtlich<br />

wiedergegeben wird, legen nahe, das Subjekt “ich” einzusetzen, was in der Übersetzung<br />

anschließend mit direktem Bezug auf Seh ich uns... (in der Erinnerung) auch geschehen ist.<br />

Doch die Requisiten, mit denen die Person der Verse 4 und 5 ausgestattet ist - goldenes<br />

Halfter und Mütze aus Pelz - deuten an sich auf den hohen Beamten Zhang Shang, <strong>des</strong>sen<br />

lebensfrohe Gestalt, ebenso wie die Zhangtai-Chaussee, in metaphorischer Funktion für die<br />

Freunde und ihr unbeschwertes Treiben in der heimatlichen Flußmetropole Gumian steht.<br />

Somit bleibt grundsätzlich offen, ob die Verse 4 und 5 schon auf das nun eintretende Ich - und<br />

damit auf die Gegenwart! - zu beziehen sind, oder ob sie die Erinnerung an eine noch nicht<br />

sehr ferne Vergangenheit in literarisch stilisierter Form wiedergeben, also dem in Vers 6<br />

562 <strong>Das</strong> Verb song / geleiten ist hier nicht bloß als fixe Metapher - etwa im Sinn von “bis an den Horizont<br />

geleiten” - zu verstehen, sondern spielt auf den Vorgang <strong>des</strong> Geleit-Gebens an, der eine der am häufigsten<br />

wiederkehrenden Rahmensituationen in der klassichen Dichtung ist, und mit dem oft ein persönlicher Abschied<br />

zur Trennung auf ungewisse Zeit - wie in der durch das Vorwort beschriebenen Situation - bezeichnet wird. <strong>Das</strong><br />

bedeutet, daß mit dem Bild der Krähen, die die Sonne geleiten, auf suggestive Weise der Abschied von der<br />

Heimat angedeutet wird.<br />

563 ZWDCD:10026.1034<br />

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