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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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ezieht sich auf einen Zyklus von dreißig Vierzeilern im Neuen Stil unter dem Titel<br />

自遷詩(„Gedichte, um mich zu zerstreuen“) 412 :<br />

Die „Gedichte, um mich zu zerstreuen“ entstanden auf einem Landsitz am Bebenden-<br />

See 413 . Da sich meine Krankheit nicht legen wollte, ruhte ich dort still in der Behausung<br />

inmitten von Feldern. Tagsüber lärmten die Landleute während ihrer Feldarbeit; und wenn es<br />

Mitternacht wurde, fand ich keinen Schlaf. So wurden von allen Gründen der Seele<br />

menschliche Gedanken aufgewühlt und stürzten mich in Verwirrungen ohne Ende.<br />

Doch die Dichtung, sie schützt! <strong>Das</strong> heißt, sie nimmt die Gefühle und das Wesen in<br />

Schutz vor vergänglicher Leidenschaft. Deshalb habe ich bis zu dreißig Vierzeiler im Neuen<br />

Stil gemacht. Je<strong>des</strong> folgt seinem bestimmten Gedanken und <strong>des</strong>halb heißen sie „um mich zu<br />

zerstreuen.“ Welchen Titel sollte man auch sonst für sie wählen?<br />

Der Angelpunkt dieser Selbstbetrachtung ist die Dichtung. Ihre Bedeutung wird in der<br />

kürzestmöglichen Form durch das Wortspiel geäußert. Dieses konzentriert sich ganz auf die<br />

beinah formelhafte Textmitte: „Doch die Dichtung, sie schützt!“ 且詩者持也. In einer<br />

Übersetzung dürfte dieses Wortspiel, so wie es im Chinesischen schon auf den ersten Blick<br />

wirkt, kaum nachzuahmen sein, denn es ist nicht nur die Ähnlichkeit der Lautungen, die die<br />

Worte 詩 („Dichtung“) und 持 („Halt“) eng zusammenrücken läßt, sondern auch die Gestalt<br />

der Schriftzeichen, die sich zwar durch die sinntragenden Radikale auf der linken Seite, nicht<br />

aber durch den phonetischen Bestandteil auf der rechten Seite, unterscheiden.<br />

Doch außer dieser eher formalen Verkuppelung beider Begriffe, läßt sich das<br />

Schriftzeichen 持 noch aus einem anderen, inhaltlichen Kontext eruieren. In seiner<br />

Anfangsstellung in Kapitel 9 <strong>des</strong> Daodejing scheint ihm - allerdings nicht im direkten Bezug<br />

auf die Dichtung - eine negative Bedeutung zuzukommen: 持而盈之不如其已 („Etwas<br />

festhalten wollen und dabei es überfüllen, das lohnt der Mühe nicht.“ 414 - „(Den Becher)<br />

halten und füllen zugleich - Besser, du ließest es sein!“ 415 - „Mieux vaut s’arrêter que retenir<br />

et remplir.“ 416 ).<br />

Scheinbar treffen hier zwei vollkommen entgegengesetzte Gedankenrichtungen<br />

aufeinander: die eine, die durch die Dichtung zu „schützen“ bzw. zu halten sucht, was sonst in<br />

„Verwirrungen ohne Ende“ untergehen müßte und die andere, die vor dem Festhalten eines<br />

Gefäßes - jeglicher Form also 417 - warnt. Aber Lu unterscheidet in seinem Text - zwar nicht<br />

ausdrücklich, doch bei genauem Lesen deutlich erkennbar - zwischen der Aussage der<br />

412 QTS; S. 7207-7209<br />

413 Zhen ze; eine andere Bezeichnung für den Taisee.<br />

414 Wilhelm; Tao te king; S. 49<br />

415 Debon; Tao-Tê-King; 1981, S. 33<br />

416 Duyvendak; S. 21; chinesischer Text: ebenda, S. 20<br />

417 Siehe dazu Duyvendaks Kommentar, S. 21<br />

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