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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Sinn wie die beiden Vorworte zur Gedichtausgabe, in denen die Paradoxie der Notwendigkeit<br />

dichterischer Freiheit, bei gleichzeitigem Bestreben einer überragenden literarischen<br />

Tradition gerecht zu werden, auf theoretischer Ebene erörtert wird, um den Leser in die<br />

Hintergründe von <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s poetischem Stil einzuführen. Hier wird nur das Verhältnis der<br />

Textformen zueinander und ihre Beziehung zum realen Autor verkehrt: das Vorwort gibt eine<br />

allegorische Einleitung in die theoretischen Lösungsversuche, die sich unmittelbar<br />

anschließen. <strong>Das</strong> Ich tritt als Inkarnation <strong>des</strong> nach Vervollkommnung seiner Fähigkeiten<br />

strebenden <strong>Dichters</strong> auf, während das heilige Gebirge <strong>des</strong> Südens als Zentrum göttlicher<br />

Wesen den literarischen Topos dazu abgibt. Der ruoshi ist die ungreifbar bleibende<br />

Personifizierung <strong>des</strong> Dichter-Heiligen, der die Geheimnisse seiner Kunst, derer er selber nicht<br />

weiter bedarf, den Suchenden überläßt. Überdies suggeriert diese Einleitung den Lesern mit<br />

der Vorstellung einer anderweitigen, geheimnisvollen Herkunft <strong>des</strong> Haupttextes einen von der<br />

Persönlichkeit <strong>des</strong> realen Autors bewußt distanzierten Aussagecharakter. Kein Leser soll<br />

ernsthaft bezweifeln, daß <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> der wirkliche Verfasser der Poetik ist, doch die<br />

Distanzierung von der mit einem Namen verbundenen Autorität rückt seine theoretischen<br />

Aussagen in einen Freiraum jenseits der Vorbildhaftigkeit einzelner Personalstile, die<br />

Zurückhaltung bei der Nennung herausragender Dichter und der weitgehende Verzicht auf<br />

beispielhafte Zitate entsprechen dieser Konzeption.<br />

Ist aber die Begegnung wirklich so zufällig, wie sie nach den äußeren<br />

Geschehensabläufen erscheint? Um dieser Frage nachzugehen, muß der entscheidendste<br />

Moment der Begegnung, die Rezitation <strong>des</strong> vom Wanderer selbst verfaßten Zweizeilers und<br />

seine Aufnahme durch den anderen, näher betrachtet werden. Die Verse<br />

Kleine Berge können nicht an Wolken,<br />

Große Berge sind der halbe Himmel.<br />

小山不能雲<br />

大山半為天<br />

erscheinen auf den ersten Blick von größter sprachlicher Einfachheit geprägt. Die<br />

Natursymbolik scheint eindeutig und wenig hintersinnig: die diametrale Zuordnung von<br />

Himmel und Erde, in der die chinesische Philosophie das Prinzip der kosmischen und<br />

sittlichen Weltordnung (Yin-Yang) in räumliche Phänomene überträgt, scheint sich im<br />

Anblick <strong>des</strong> Gebirgsmassives aus der Ferne realisiert zu haben. Als einzelhafte Phänomene<br />

(kleine Berge - Wolken) bleiben die Gegensätze voneinander entfernt, als Bild <strong>des</strong> jeweils<br />

Ganzen (große Berge - Himmel) verschmelzen sie, Berge - in dieser Zusammensetzung<br />

Repräsentanten der Erde, also <strong>des</strong> Yin - sind der halbe Himmel, der für sich allein genommen<br />

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