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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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und die darin enthaltene Zäsur kann vor oder nach der sechsten Silbe platziert werden. Ihre<br />

Stellung ergibt sich letztendlich aus der syntaktischen bzw. semantischen Zurordnung.<br />

Betrachten wir also die beiden Vierzeiler nochmals anhand eines einfachen Schemas.<br />

Li Bo: + + + + + + +<br />

+ + + + + + +<br />

+ + + + + + +<br />

+ + + + + + +<br />

<strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>: + + + + + + +<br />

+ + + + + + +<br />

+ + + + + + +<br />

+ + + + + + +<br />

Aus dieser Perspektive erscheint das Gedicht <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s rhythmisch starr. Li Bo<br />

verschiebt dagegen die letzte Binnenzäsur im zweiten Vers um eine Position nach vorn,<br />

indem er dem zweisilbigen Nomen Yangzhou das Verb stromab...gleitet (xia; wörtlicher hier:<br />

„stromab fahren“) voranstellt. Durch diesen Griff erhält die Bewegung, die das Verb<br />

beinhaltet, eine den ganzen Text durchgreifende Signifikanz. Es ist, als bewege sich alles, was<br />

in den Sichtkreis <strong>des</strong> Abschiednehmenden gerät, mit dem Fluß und ströme zum Horizont: ein<br />

poetisches Wiedererkennen der Wandlung zum Unsterblichen.<br />

<strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> konzentriert dagegen alle Bewegungsmomente innerhalb seines Textes auf die<br />

Endsilben der jeweiligen Verse. Im ersten Vers bleibt es noch beim bloßen Zeitpunkt und<br />

Zustand der späten Überfahrt, doch anschließend sind es die Verben fliegen, tanzen,<br />

heimkehren, die an immer derselben prosodischen Stelle hervorgehoben werden. Die<br />

Bewegung ist nicht subtil in das Textwerk eingeflochten, sondern ist offensichtlich. Sie soll<br />

es auch sein, denn sie hat, im Gegensatz zu der in Li Bos Text spürbaren Bewegung, den Halt,<br />

das Ziel und den Rücklauf verloren.<br />

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> im Vergleich mit Li Bo noch<br />

weniger an die formalen Tonregeln hält, das Zusammenwirken der Töne auf den beiden<br />

Ebenen, die wir in Anlehnung an Unger hier analysiert haben, jedoch nicht weniger ernsthaft<br />

zur „Versinnlichung“ der begrifflichen Ebene anwendet. Stichproben unter den Gedichten im<br />

Neuen Stil haben gezeigt, daß die tangzeitlichen Tonregeln nur selten akkurat eingehalten<br />

werden. Zwar wurden keine flächendeckenden Analysen der Gedichte <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s auf tonaler<br />

Ebene durchgeführt, doch Beispiele wie das obige zeigen deutlich genug, daß möglicherweise<br />

auch jenseits eines eher konventionellen Begriffes von Klangharmonie die strenge klangliche<br />

Durchformung <strong>des</strong> Textes für diesen Dichter vorrangige Bedeutung hatte. Der Umstand, daß<br />

die bekannten Regeln also nur noch sehr bedingt verbindlich waren und der große Mangel an<br />

gesichertem phonetischen Material für diesen Zeitraum hielt mich letztlich davon ab, diesem,<br />

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