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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Uferlos der Anglerhutsee - Wildgansschatten verblassen<br />

Wolkengewänder schützen sich türmende Gipfelmassen.<br />

Die Lange Brücke steht öde und leer in der kalten Nacht:<br />

Nur Dichter und Boot auf dem Heimweg sich selbst überlassen.<br />

笠澤茫茫雁影微<br />

玉峰重疊護雲衣<br />

長橋寂寞春寒夜<br />

只有詩人一舸歸<br />

Wenn jeder der vier Verse isoliert gelesen wird, lassen sich daraus die drei oben in<br />

Parenthese gesetzten Topoi bzw. Themenbereiche analysieren:<br />

Mit dem Blick über eine „uferlose“ Seefläche, die von Wildgänsen überflogen wird<br />

entsteht eine Metapher für das heimatlose Unterwegssein, das innerhalb <strong>des</strong> Zyklus immer<br />

wieder aus der äußeren Situation der einsamen Rückkehr zum eigenen Wohnsitz abgeleitet<br />

wird.<br />

- Die Bedeutung <strong>des</strong> Ausdrucks Wolkengewänder 雲衣 (yunyi)und die Stellung <strong>des</strong><br />

Verbs schützen lassen im Chinesischen zwei Interpretationen <strong>des</strong> Verses zu. Zunächst<br />

bedeutet yunyi lexikalisch „eine aus Wolken gemachte Bekleidung“ 447 , die im literarischen<br />

Kontext von Wesen, die das sterbliche <strong>Das</strong>ein durchschritten haben - Heilige, Mönche,<br />

Eremiten u.a. - getragen werden. Demnach spielt der Vers auf die in den Bergen um den<br />

Taisee gelegenen Klöster, heiligen Stätten und Eremitagen an, die Gipfel schützen. Es ist<br />

wahrscheinlich, daß <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> damit wiederum eine Parallele zu Lu Guimeng zog, denn in<br />

vielen von <strong>des</strong>sen Dichtungen wird die Landschaft um den See zur Wiege der in ihr<br />

verborgenen, religiösen Mysterien. Im folgenden Abschnitt wird nochmals darauf<br />

eingegangen.<br />

Es fällt jedoch auf, daß in den mir zugänglichen kommentierten Ausgaben - auch dort,<br />

wo der Kommentar mehr als eine Einführung bezweckt - diese Interpretation nicht erwogen<br />

wird. Die Wolkengewänder sind hier nur die Gestalt <strong>des</strong> Nebels bzw. <strong>des</strong> Luftdunstes, der<br />

seinerseits die entfernten Berggipfel umgibt und schützt. 448<br />

Mir scheint nichts dagegen zu sprechen, beide Möglichkeiten in die Interpretation<br />

einzubeziehen und es bei der Mehrdeutigkeit zu belassen. Der inhaltliche Kern <strong>des</strong> Verses<br />

wird davon nicht berührt, denn zum Unterwegssein kommt nun die Einsamkeit, die im<br />

Kontrast zu den „beschützten“ oder auch „schützenden“ Gipfeln der haltlosen Weite und<br />

Ungewißheit ausgesetzt bleibt.<br />

- Im dritten Vers begegnet uns hier zum wiederholten Mal das Bild der in einer kalten<br />

Nacht verlassenen Brücke, das wir schon in dem ci „Yangzhou“ kennengelernt hatten. Dort<br />

447 ZWDCD:43170.89<br />

448 Siehe Liu, Naichang; S. 36 & Wong, Shiu Hin; S. 12f.<br />

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