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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Die individuelle Schaffenskrise war also in der frühen Dichtergeneration der Südlichen<br />

Song - also unter jenen Dichtern, deren Leben im Zeitraum <strong>des</strong> Rückzugs in den Süden<br />

begann - eine von vielen geteilte Erfahrung, die einerseits auch in engem Zusammenhang mit<br />

der enormen Wirkung von Lü Benzhongs Klassifikation in den literarischen Kreisen der<br />

Gesellschaft stand. J.D. Schmidt untersucht diese Wirkung am Beispiel jenes Dichterkreises,<br />

in den später auch der eine Generation jüngere <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> aufgenommen wurde und kommt zu<br />

dem Schluß, daß die gesellschaftliche Popularität <strong>des</strong> <strong>Jiang</strong>xi-Stils den Dichtern besonders in<br />

ihren jungen Jahren, aber auch danach noch, wenn es ihnen um öffentlichen Beifall ging,<br />

keine andere Wahl ließ, als sich in „gelehrten Anspielungen und komplexer Diktion“ zu<br />

ergehen. 277 Die Spannung <strong>des</strong> Konflikts baute sich also zunächst zwischen dem individuellen<br />

Dichter und literarisch-ästhetischen Gepflogenheiten seines Zeitalters auf, und hatte mit einer<br />

grundsätzlichen Fehlbewertung der Dichtung Huang Tingjians nichts zu tun. Dafür spricht<br />

unter anderem, daß außer <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> und Yang Wanli auch Lu You, nach selbstkritischer<br />

Auseinandersetzung mit den (<strong>Jiang</strong>xi-) Vorbildern seiner Jugend, deren eigene literarische<br />

Größe ausdrücklich unangetastet läßt. 278 Bei Lu You finden sich zwar keine Bemerkungen<br />

über eine Vernichtung eigener <strong>Werk</strong>e, doch Schmidt macht in diesem Zusammenhang zurecht<br />

darauf aufmerksam, daß von dem wohl produktivsten Dichter dieser Zeit scheinbar kein<br />

einziges Gedicht aus der Zeit vor seinem dreißigsten Lebensjahr und aus den folgenden<br />

vierzehn Jahren nur hundertneununddreißig überliefert sind.<br />

Aber das Krisenerlebnis wurzelte tiefer, als die, doch zu allen Zeiten fast unvermeidliche,<br />

Unzulänglichkeit einer konventionellen Erwartungshaltung gegenüber der lebendig sich<br />

entwickelnden Dichtung. Es gab einen tatsächlichen Zweifel an der Möglichkeit <strong>des</strong><br />

Einzelnen, Gegenwartsdichtung zu schaffen. Begründet lag dieser Zweifel in einer<br />

intellektuellen Skepsis gegenüber den sich unablässig wandelnden poetischen Formen und<br />

Aussagen. Der ewig fortschreitende Wandlungsprozeß bianhua (in verbaler Funktion wird bei<br />

<strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> das Synonym hua, bei Yang Wanli bian bevorzugt) war demnach die einzige<br />

Gesetzmäßigkeit, die der Wahrheit <strong>des</strong> Lebendigen gerecht wurde. Und poetische<br />

Formskepsis bahnte dem Bewußtsein einen Weg, dieser Gesetzmäßigkeit gerecht zu werden.<br />

Nicht in der Form, sondern in der Loslösung von der Form wird das Gegenwärtige wahr.<br />

Die maßgebliche Darlegung dieses Gedankens, auf die sich <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>, Yang Wanli und<br />

andere Zeitgenossen unausgesprochen bezogen haben dürften, findet sich im Kapitel Qiu shui<br />

(„Herbstfluten“) <strong>des</strong> Zhuangzi:<br />

277 Schmidt; Stone Lake; S. 30. Die Behandlung <strong>des</strong> gesamten Kontextes, auf die ich mich hier beziehe, findet<br />

auf den Seiten 27 bis 40 statt.<br />

278 Ebenda; S. 30-31<br />

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