29.10.2013 Aufrufe

Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

sehen?’ Und sie bog das Haupt nach hinten, so daß ihre Haarknoten den Boden berührten. Der<br />

Anblick glich einem Kreis. 602<br />

Was hier beschrieben wird, ist offenbar eine Annäherung zwischen den beiden, die<br />

überraschend durch das - mancher würde vielleicht sagen: frivole - Verhalten der Sängerin<br />

bewirkt wird. Der Gelehrte fragt nach dem Sinn der Verse, da ihm der Ausdruck Bogenlenden<br />

弓腰 etwas Besonderes zu bedeuten scheint. Die Sängerin antwortet in einem anderen Sinn,<br />

indem sie sich selber als Subjekt der Verse angibt und prompt ein recht gewagtes Kunststück<br />

zum Beweis vorführt. Offenbar versteht sie es also den andern mit der im Lied gespielten<br />

Traurigkeit und mit ihrer witzigen Geistesgegenwart auf raffinierte und liebenswert-<br />

freimütige Art zu reizen. In der Resignation, die bereits durch den vorigen Vers 18 bekannt<br />

geworden war - Was die Liebe verhieß wird nur noch im Bild der Schwalben anschaulich -<br />

lebt also nochmals die Erinnerung auf. Die Anspielung bleibt aber, wie alle Anspielungen <strong>des</strong><br />

Textes, ohne eigentlichen inhaltlichen Bezug.<br />

Es sind nur gleichsam aufblitzende Momente, die dem Gedanken eines<br />

unwiederbringlichen Verlustes und der Reue besondere Farbe und Geschmack verleihen. Die<br />

dichterische Wirkungskraft wird dadurch nicht beeinträchtigt, sondern entsteht so erst. Nichts<br />

zwingt dazu, diese Verse mit einem persönlichen Erlebnis <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> zu verbinden und<br />

nichts will nahelegen, eigene persönliche Erlebnisse in Vergleich zu ziehen. Was vor allem<br />

besticht, ist der Kontrast zwischen den sinnlichen Augenblicken der Erinnerung und der<br />

gedanklichen Ferne, in die diese gerückt zu sein scheinen. Klare Herbststimmung, auf die das<br />

Zitat in Vers 1 anspielt, wird im weiteren Verlauf <strong>des</strong> Gedichtes durch schmerzhaftes<br />

Frühlingserwachen abgelöst, geistige Ruhe durch emotionale Bewegtheit. Doch das Gefühl<br />

wird zur Nachdenklichkeit und schließlich zur Resignation, die sich mit dem veränderten<br />

Gefühl der Reue vermischt. Im zurückbleibenden Gesamteindruck sind Glück und Schönheit<br />

ohne konkrete Inhalte der Vergänglichkeit preisgegeben und nur in der Wahrnehmung dieses<br />

ewigen Zustan<strong>des</strong> leuchten sie auf - der Rest vom Faden, die Bogenlenden - wie Bilder aus<br />

anderen Welten.<br />

5. Die offene Person: das Spätwerk ab 1201<br />

Während <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> also in den frühen ci besonders bemüht scheint, dem Textsubjekt<br />

persönliche Züge zu geben, die deutliche Verwandtschaft mit seiner eigenen Biographie<br />

aufweisen, neigt er in der mittleren Phase min<strong>des</strong>tens ebenso klar zum Bruch mit diesen<br />

Strukturen und zur Ablösung der Gedichtaussage von persönlicher Subjektivität, die sich<br />

602 ebenda; Anmerkung 7. Aufgrund der bei Liu fehlenden genaueren Quellenangaben und trotz eigener<br />

Versuche, die Stelle in dem <strong>Werk</strong> auszumachen, können hier leider keine weiteren Hinweise gegeben werden.<br />

347

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!