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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Liest man den Vers isoliert, so scheint hier der Bezug zu fehlen, doch aus dem Kontext der<br />

Handlung, die sich zwischen dem Aufgeben der Heimat und dem Betreten eines fremden<br />

Ufers - gleich dem zukünftigen Leben - bewegt, geht hervor, daß der klare Unterschied<br />

derjenige zwischen Vergangenem und Künftigem im Leben <strong>des</strong> Ichs ist. Fen ming führt<br />

gleichzeitig die subjekive Perspektive ein, d.h. nun wird verraten, daß in der Erinnerung eine<br />

Situation, die auch noch die Gegenwart bestimmt, reflektiert wird. Im Verhältnis zu Vers 4<br />

baut sich nun eine Spannung auf, die diese Situation kennzeichnet. Der Blick, der eben noch<br />

nach vorne zum Ufer hin - in die Zukunft! - gerichtet war, wendet sich noch einmal zurück<br />

zum Heck, wo im Frühlingswind die Reiselampe blakt. Dieses überraschende Bild wendet<br />

zum einen die objektive Wahrnehmung <strong>des</strong> äußeren Geschehens - lebhafte Vorbereitungen<br />

auf die Ankunft nach längerer Flußreise - in ein subjektives Gleichnis, in dem sich der<br />

Reisende, schon am Ziel angelangt, wieder mit jener Lampe identifiziert, deren Licht ihn die<br />

Fahrt über begleitete. Darüber hinaus ermöglicht es auch eine vieldeutige Interpretation der<br />

Aussage über das Befinden <strong>des</strong> Ichs. Ist es eine nicht zu stillende Sehnsucht nach der Heimat,<br />

die noch bei der Ankunft im „neuen Leben“ auf das Licht am Bootsheck starren läßt, den<br />

einzigen Gegenstand, der in Richtung <strong>des</strong> Vergangenen deutet, während bis zu den<br />

Horizonten sich längst die Fremde erstreckt? Ist es der Gedanke, daß das Leben von nun an<br />

immer eine Reise bleiben wird, der das Licht am Heck demjenigen, der gerade im Begriff ist,<br />

wieder festen Boden zu betreten, unauslöschbar einprägt? Liegt in der Trauer um Verlorenes,<br />

worunter man zunächst die Heimat zu verstehen glaubt, noch etwas anderes verborgen - etwa<br />

die Sorge um eine Liebe, die den Heimatlosen in Unruhe versetzt, so wie der Frühlingswind<br />

die Reiselampe blaken macht?<br />

Diese und vielleicht noch andere Aussagemöglichkeiten sind in einer unprätentiös<br />

wirkenden Sprachform enthalten. <strong>Das</strong> Gedicht ist frei von kryptischen Anspielungen auf<br />

entlegene Textstellen und dennoch ist seine Sprache Vers für Vers, Wort für Wort<br />

durchmessen und raffiniert. Die Aufforderung an den Leser, aus dem einfachen Vorgang<br />

zwischen den Zeilen die Besinnung auf ein persönliches Schicksal zu lesen, ergeht erst mit<br />

der überraschenden Wendung <strong>des</strong> letzten Verses und führt aus der situationsgebundenen<br />

Gemeinschaft mit den Bootsleuten in die Einsamkeit zurück, die den ganzen Zyklus<br />

thematisch und stimmungsmäßig bindet.<br />

Daß sich auf den Schlußvers mehrere Interpretationen anwenden lassen, die in Kontexten<br />

von solcher Verschiedenheit wie Heimatsehnsucht oder Liebesschmerz Rückhalt finden, ist<br />

ein Stilmerkmal, das besonders in der ci-Dichtung <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s auffällig wirkt, das hier aber<br />

nur in Hinblick auf das vierte Kapitel erwähnt wird. An dieser Stelle gilt die Aufmerksamkeit<br />

noch im wesentlichen der von <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> immer wieder und gerade auch in diesem Zyklus<br />

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