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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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konsequent zu mißachten. Die Möwen 164 , denen das Bewußtsein der Bedrohung entfiel,<br />

vermischen sich im Schlußvers mit dem Habit der Mönche: so vereint sich das Weltferne am<br />

abgeschiedenen Ort.<br />

Diese Aussage allein wäre wohl <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> kein Gedicht wert gewesen, sie enthält ja an<br />

sich noch keinen eigenen Gedanken und ist zudem in eine äußere Form und Metaphorik<br />

gekleidet, die nahezu banal erscheinen könnte. Man kann diesen Text wie ein<br />

Bergbesteigungs-Gedicht nach dem allgemeinen Vorbild der großen Tang-Lyriker lesen, doch<br />

würde es dann tatsächlich - entsprechend der Darstellung Hu Yunyis, die zu Anfang dieses<br />

Abschnittes erwähnt wurde (S. 57), hinter deren emotionaler Intensität zurückbleiben und<br />

kaum andere Qualitäten besitzen. Kühler Mittagswind, weiße Möwen und (Kloster-)Habit<br />

erhielten am Ende einen eher beschaulichen Charakter.<br />

<strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s Absicht beschränkt sich aber nicht nur auf die poetische Aufzeichnung eines<br />

gemeinsamen Spaziergangs, an <strong>des</strong>sen Ende die Beteiligten über der Schönheit der<br />

Landschaft und der geistigen Würde der Mönche, was bei<strong>des</strong> für sie an diesem Tag<br />

zusammenkommt, die Sorgen ihrer Zeit vergaßen. Er greift das konventionelle Thema <strong>des</strong><br />

Spaziergangs auf einen stadtnahen Ausflugsberg vielmehr anhand eines ganz konkreten<br />

literarischen Vorbil<strong>des</strong> auf und modifiziert es so geschickt und unauffällig, daß bei der<br />

Entwicklung eines aus gelegentlichem Anlaß entstandenen Gedankens wirklich eine<br />

scheinbar ungeplante Übereinstimmung mit den Alten spürbar wird.<br />

Der Text, auf den sich <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> bezieht, ist ein Gedicht <strong>des</strong> Li Bo im Stil der Alten, mit<br />

fünfsilbigem Versmaß und dem Titel „Beim Abstieg vom Berge Zhongnan treffe ich den<br />

Bergbewohner Hu Si, der mich zum Übernachten zu sich einlädt und mir Wein kredenzt“ 165 .<br />

Neben der offensichtlichen Ähnlichkeit der Thematik - der Zhongnan-Berg war „Hausberg“<br />

von Chang’an (Hauptstadt der Tang-Dynastie) und ebenso ein beliebtes Ausflugsziel -<br />

stimmen bei beiden Gedichten auch die Verslänge und der Reimlaut überein. Verschieden<br />

wirken sich dagegen die prosodischen Rahmenbedingungen aus. Li Bos Gedicht im Stil der<br />

Alten wirkt deutlich narrativer und kann auf den strengen Aufbau der Parallelismen<br />

vezichten.<br />

164 Möwen (ou), weiße Möwen (bai ou), weiße Vögel (bai niao) oder weiße Reiher (bai lu), kommen in <strong>Jiang</strong><br />

<strong>Kui</strong>s Gedichten sehr häufig vor. Abgeleitet von der herkömmlichen „Einsiedler-Metaphorik“ ( die Möwe gilt als<br />

furchtloses Tier, das zwar äußerst menschenscheu ist, sich aber selbst im Sturm über die Wellen hinaus wagt )<br />

symbolisiert sie bei ihm überwiegend den unabhängigen Geist. Die Farbe Weiß verstärkt nicht nur in diesem<br />

Kontext die Konnotation <strong>des</strong> Unberührten, oder aber <strong>des</strong> wieder Gereinigten. Weiß ist etwa die Farbe <strong>des</strong><br />

Herbstes und auch die Kleiderfarbe <strong>des</strong> noch unbestallten Gelehrten (vergleiche Gedicht auf S. 282, Vers 4). Zu<br />

dem hier auffälligen Gebrauch <strong>des</strong> Metonyms weiße Federn siehe weiter unten.<br />

165 Xia Zhongnanshan guo Husi shan ren su zhi jiu TSS; S. 10 & vollständige Übersetzung bei Klöpsch; Der<br />

seidene Faden; Nr. 83<br />

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