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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Ich erkundigte mich nach dem Mechanismus dieser Figuren, und wie es möglich wäre, die<br />

einzelnen Glieder derselben und ihre Punkte, ohne Myriaden von Fäden an den Fingern zu<br />

haben, so zu regieren, als es der Rhythmus der Bewegungen, oder der Tanz, erfordere.<br />

Er antwortete, daß ich mir nicht vorstellen müsse, als ob je<strong>des</strong> Glied einzeln, während der<br />

verschiedenen Momente <strong>des</strong> Tanzes von dem Maschinisten gestellt und gezogen würde.<br />

Jede Bewegung, sagte er, hätte einen Schwerpunkt; es wäre genug, diesen, in dem Innern<br />

der Figur, zu regieren; die Glieder, welche nichts als Pendel wären, folgten, ohne irgendein<br />

Zutun, auf eine mechanische Weise von selbst. 340<br />

In dem unabhängigen Wirken von Hand und Geist, demzufolge sich beide auch nicht<br />

gegenseitig behindern können, liegt also die intuitive Komponente <strong>des</strong> Schaffensprozeßes,<br />

während unter dem ruhigen Blick für das Ganze die höchste, weil selbstloseste Form der<br />

Reflexion zu verstehen ist. Beide Komponenten bedingen sich gegenseitig und können die<br />

Priorität vertauschen, so wie der freie Gedanke nicht ohne das Maßnehmen <strong>des</strong> Gegenstan<strong>des</strong>,<br />

von dem er ausgeht, und das Maßnehmen nicht ohne den Gedanken zum dichterischen Gehalt<br />

beitragen kann.<br />

Abschnitt 26 unternimmt nicht viel mehr, als diese Vorstellung von der Ebene <strong>des</strong> großen<br />

Entwurfs auf die Detailfragen (wörtlich: „Verse und Schriftzeichen“) zu erweitern.<br />

Bezeichnend ist allerdings die Folgerung, dies mache den Schriftsteller aus. Zur wahrhaft<br />

großen Dichtung gehört demnach die Fähigkeit, den großen Entwurf bis in das einzelne<br />

Schriftzeichen hineinzuarbeiten, aus der Tiefe und Weite <strong>des</strong> übergreifenden Gedankens<br />

folgen Klarheit, Altertümlichkeit und Harmonie im Detail. Hier findet sich wieder jene für<br />

<strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> typische Grundhaltung gegenüber der Kunst, die bereits an den kritischen Schriften<br />

zur Musik und Kalligraphie beobachtet wurde: weniger interessiert der Künstler - und noch<br />

weniger sein Ruhm -, als das einzelne Kunstwerk und an diesem wiederum werden nicht nur<br />

die überragenden Züge bewundert, sondern auch die Mängel erkannt und überdacht. So<br />

begegnet man in <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> einem Dichter und Ästheten, der in der Kunst nicht absolute<br />

Vollkommenheit, sondern das Streben nach Vollkommenheit vorfand und ausübte. Dieser<br />

deutliche Sinneswandel, der sich, wie zu sehen war, auch im Denken einiger Zeitgenossen<br />

andeutete, machte aus dem dichtenden Beamten einen Künstler. Der Weg <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> führt<br />

erst durch seine Kunst in die Sittlichkeit, statt im gut-konfuzianischen Sinn aus der<br />

Sittlichkeit zur Kunst. Hierzu noch einmal Kleist:<br />

- Doch so, wie sich der Durchschnitt zweier Linien, auf der einen Seite eines Punktes,<br />

nach dem Durchgang durch das Unendliche, plötzlich wieder auf der anderen Seite einfindet,<br />

oder das Bild <strong>des</strong> Hohlspiegels, nachdem es sich in das Unendliche entfernt hat, plötzlich<br />

wieder dicht vor uns tritt: so findet sich auch, wenn die Erkenntnis gleichsam durch ein<br />

340 Kleist; S. 826<br />

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