Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes
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dem Titel „The Transformation of the Chinese Lyrical Tradition / Chiang K’uei and Southern<br />
Song Tz’u-Poetry“ veröffentlicht. <strong>Das</strong> Buch enthält insgesamt einunddreißig Übersetzungen<br />
von ci- ( bzw. tz’u-) Texten, von denen etwa die Hälfte im Rahmen der Untersuchung<br />
interpretiert werden. Allerdings geht Lins Arbeit von einem strukturalistischen Ansatz aus 18 ,<br />
indem er seine Untersuchung auf einen sehr engen Bereich <strong>des</strong> Gesamtwerkes konzentriert<br />
und diesen in einen dafür um so komplexeren sozio-kulturellen Hintergrund einordnet. Sein<br />
Ziel ist es, den Dichter <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> als Vorläufer einer letzten großen Erneuerung der Song-<br />
Dichtung innerhalb der Gattung ci zu würdigen. Dabei betrachtet er ihn jedoch weitaus eher<br />
als Repräsentanten einer Kulturepoche, die allgemein durch eine ausgereifte Zivilisation und<br />
in Literatenkreisen durch ein verfeinertes ästhetisches Bewußtsein gekennzeichnet ist, in der<br />
der Hang zur Selbstbezogenheit <strong>des</strong> Geistes, zum Ästhetizismus also, erkennbar zunimmt. Als<br />
literarische „Kristallisation“ <strong>des</strong> Zeitgeistes 19 im lyrischen <strong>Werk</strong> <strong>des</strong> <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> bezeichnet Lin<br />
die yongwu-ci 詠物詞 (also „Ci auf Gegenstände“), ein Subgenre der Gattung ci, in dem eine<br />
„radikale Umformung der Strukturen der traditionellen chinesischen Lyrik stattgefunden“ 20<br />
habe. Bereits in der Einleitung formuliert er seine grundlegenden Ansichten zu den yongwu-ci<br />
und dem darin zu beobachtenden Strukturwandel der Dichtung als Ausdruck <strong>des</strong> allgmeinen<br />
kulturhistorischen Strukturwandels 21 :<br />
In writing a yongwu-song, the poet shrinks from the vast world of his lived experience<br />
and concentrates his creative vision on one tangible object. This process inevitably gives rise<br />
to two distinct tendencies in the lyric songs (ci; d.V.). The first is that, in contrast to the lyric<br />
verse (shi) and to the conventional type of lyric songs, they generally reveal a more<br />
‘objective’ structure. The poet retreats from a position in which his own perception of a given<br />
poetic situation constitutes the lyric center of a poem, into an other position in which the poet<br />
himself becomes a mere observer of that lyric center. In the former position, which is<br />
distinctive of traditional Chinese lyric poetry, the organizational principle lies in the lyrical<br />
self and in its perception of the lyrical situation. But in the new yongwu mode the unifying<br />
principle has shifted from the commanding vision of the lyrical self to the external object<br />
18 Lin; Transformation, Preface; S. viii<br />
19 ebenda; Introduction S. 36ff.<br />
20 ebenda; S. 9<br />
21 Die geistige Verfeinerung der Literatenschicht wird von Jaques Gernet in seinem sozio-kulturellen Portrait der<br />
Song-Zeit als der „chinesischen Renaissance“ als wesentlicher Faktor <strong>des</strong> allgemeinen Zivilisationsprozesses an<br />
erster Stelle genannt: „L’aspect intellectuel et contemplatif, savant et parfois ésotétrique <strong>des</strong> arts et <strong>des</strong> lettres<br />
dans les hautes classes chinoise s’affirme à l’époque <strong>des</strong> Song et restera dominant sous les dynasties <strong>des</strong> Ming,<br />
et <strong>des</strong> Qing, en dépit de reactions qui tendent à un retour vers les connaissances pratiques et les activités<br />
physiques chez <strong>des</strong> penseurs originaux et isolés... La littérature savante, la peinture, la calligraphie, les<br />
collections de livres et d’objets d’arts, l’aménagement <strong>des</strong> jardins eurent seuls depuis les Song la faveurs <strong>des</strong><br />
classes lettrées.“ (Gernet, Jaques; Le monde chinois; Paris 1972; S. 291)<br />
Hinsichtlich <strong>des</strong> Begriffes yongwu möchte ich auf eine Übersetzung in das Deutsche vorerst verzichten. Der<br />
deutsche Terminus „Dinggedicht“, der auf bestimmte Gedichtgruppen etwa in den <strong>Werk</strong>en Mörikes („Auf eine<br />
Lampe“ u.a.) oder Rilkes („Der Panther“ u.a.) angewendet wird, scheint dem Wortsinn nach Entsprechen<strong>des</strong> zu<br />
beinhalten, doch hier wäre eine vergleichende Studie von yongwu- und Dinggedichten der geeignete, meines<br />
Wissens jedoch bislang noch unbeschrittene Weg zu einer tauglichen Übersetzung.<br />
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