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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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im Alten Stil.<br />

Manchnmal möchte ich alles vor mir ausbreiten und das ganze<br />

Leben selbst genauer betrachten. <strong>Das</strong> reicht allerdings nicht aus, um<br />

Dichtung zu schaffen.<br />

句<br />

時欲展閱自省生平<br />

不足以為詩也<br />

Die Gedanken, die hier zur Erläuterung <strong>des</strong> Titels hervorgebracht werden, rücken den<br />

allgemein sehr ambivalenten Begriff <strong>des</strong> „Reisens“ 遊 (you) in eine Position, die ihn von<br />

herkömmlichen Vorstellungsmustern abgrenzt. Letztere versuchte Wolfgang Bauer auf dem<br />

Hintergrund der Mentalität <strong>des</strong> konfuzianischen Beamten folgendermaßen zu umreißen:<br />

Auf der einen Seite bezeichnete es nämlich das ziellose Wandern (Bauer unterscheidet<br />

hier verschiedene Bedeutungsrichtungen von you mit Hilfe von zwei<br />

Übersetzungsmöglichkeiten: „Wandern“ und „Reisen“; d.V.): das Herumschweifen, das<br />

Vagabundieren also ebenso wie das müßige, erholsame, seinen Sinn in sich selbst tragende<br />

Spazierengehen. In beiden Bedeutungsschattierungen besaß es aus konfuzianischer Sicht, im<br />

Gegensatz zur daoistischen, immer etwas Negatives: Eine ‘wandernde’ Lebensform sprach<br />

entweder, war sie freiwillig, gegen den Menschen, der sie bevorzugte, oder, war sie<br />

unfreiwillig, gegen die Zeit, die sie ihm aufnötigte; der ‘Müßiggang’... vertrug sich nicht recht<br />

mit dem pflichterfüllten konfuzianischen Lebensbegriff. Auf der anderen Seite konnte unter<br />

you aber auch die echte ‘Reise’ verstanden werden, die sich auf ein ganz bestimmtes Ziel<br />

richtete. Auch in dieser Bedeutung begegnete jedoch der Begriff auf Seiten <strong>des</strong><br />

Konfuzianismus einer gewissen Skepsis... 451<br />

Da längst bekannt ist, daß es in <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s Leben keine offiziell beauftragten, also<br />

„zielgerichteten“ Reisen gab, kann in diesem Zusammenhang die „andere Seite“ <strong>des</strong> Begriffs<br />

getrost ausgeschlossen werden. Scheinbar meint <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>, wenn er von seiner Jugend<br />

spricht, also jenes „ziellose Wandern“, das „Herumschweifen“ oder „Vagabundieren“, wozu<br />

unter Umständen auch die Formulierung trieb mich in der Welt herum passen könnte. Doch<br />

der Text <strong>des</strong> Vorwortes vermittelt gar nichts von der Freiheit und Lust, die in der<br />

Lebensweise eines Vagabunden, der seinen eigenen Bedürfnissen und Zielen folgt, liegt.<br />

Vielmehr wird ein Anflug von Erleichterung und Zufriedenheit erst mit dem Ende dieses<br />

Zustan<strong>des</strong> spürbar, denn eine friedliche Bleibe und ein Herbsttag, der für nichts vorgesehen<br />

ist, erlauben dem dichterischen Geist zuerst zur Ruhe zu kommen, um das Geschehene aus<br />

der Vergangenheit heraufzuholen. Es wird aus einer ruhigen Nüchternheit betrachtet und mit<br />

dem erklärten Ziel, alles...selbst genauer betrachten zu wollen, keineswegs aber mit der<br />

romantischen Schwermut eines Unglücklichen, der verlorene Jugendzeiten betrauert. Ein<br />

solcher war beispielsweise der in <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s Dichtungen öfters kritisch betrachtete Tang-<br />

Dichter Du Mu, der den Topos „Reisen von einst“ 昔遊 ebenfalls in zwei Vierzeilern im<br />

451 Bauer, Wolfgang; China und die Hoffnung auf Glück. Paradiese, Utopien, Idealvorstellungen; S. 253f.<br />

Zitiert nach: Kubin; Tu Mu; S. 100, Anmerkung 1<br />

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