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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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Die zweite Strophe wirkt dagegen in die zeitliche Dimension, in der das Gefühl<br />

anscheinend ebenso zwischen Extremen liegt. Vers 6 geht offenbar von einem starken<br />

Gegenwartsbewußtsein aus - Entlegen-still ist’s jetzt -, das aber schon unmittelbar danach<br />

durch die Vorahnung <strong>des</strong> Vergänglichen abgelöst wird - das Fest der kalten Speisen liegt<br />

Mitte April im Übergang zum Spätfrühling. Diese Vorahnung verstärkt sich, indem sie bis ans<br />

Ende <strong>des</strong> Gedichtes weiter voranschreitet: Vers 9 wähnt bereits den Herbst nah und in Vers<br />

12 ist wohl angesichts der Jahreszeit, wenn eisigblau für sich die Weiher bleiben nur an den<br />

Winter zu denken. Die beiden Verse zuvor, die ein eigener Reim neben dem durchgehenden<br />

Reimlaut und dieselbe Zahl an Silben besonders eng zusammenzieht, geben den Gedanken<br />

<strong>des</strong> zeitlichen Wechsels außerhalb jener jahreszyklischen Bewegung, die in der zweiten<br />

Strophe vom Frühling bis zum Winter führt, wieder. <strong>Das</strong> Kommen der Schwalben und die<br />

unmittelbar folgende Frage nach dem Verbleib <strong>des</strong> Frühlings, symbolisieren nichts weiter als<br />

den Verlust, den das Leben durch die Zeit erleiden muß und der das Ende je<strong>des</strong> zeitlichen<br />

Kreislaufs vorankündigt.<br />

Doch noch immer steht die Frage nach Inhalten offen, in denen das Spannungsgefüge der<br />

ersten und der zweiten Strophe eine dichterische Aussage entstehen lassen könnte. Hinter der<br />

Andeutung, die in dem Namen der kleinen Qiao verborgen ist, kann zunächst nur ein ganz<br />

allgemeiner Sachverhalt vermutet werden: das Haus von Qiao, der kleinen ist der einzige Ort<br />

in dieser entlegenen und halb verödeten Stadt, wo es geraten erscheint, ein geselliges Fest,<br />

wie das der kalten Speisen, zu feiern. Wer immer diese Person sein mag und ob sie im<br />

wirklichen Leben <strong>des</strong> <strong>Dichters</strong> jemals eine Rolle spielte, tut hier nichts zur Sache. Allein der<br />

Gedanke, daß die Zeit <strong>des</strong> Frühlings noch ein letztes Mal gefeiert werden sollte, bevor in der<br />

ganzen Umgebung nur noch jene Verlassenheit herrscht, die schon während der Blütezeit der<br />

Weidenbäume unübersehbar ist, wird durch den Ausdruck ±jÄâ Ich schleppe... in seiner<br />

Dringlichkeit noch verstärkt.<br />

Kalte Einsamkeit ist der Zustand, der die bildliche Vorstellung durch den gesamten Text<br />

beherrscht und die äußere Szenerie mit der inneren, subjektiven Befindlichkeit vereint. <strong>Das</strong><br />

wird noch einmal besonders klar, wenn wir die ersten und letzten Verse <strong>des</strong> Gedichtes<br />

vergleichen. In den Versen 1 und 2 werden die leeren Mauern und Wege mit hängenden<br />

Weiden, das Äußere und Innere der Stadt, durch das zusammengesetzte Verb 吹入<br />

verbunden. Dieses Verb ist nicht nur an sich suggestiv, denn wenn „es“ in etwas<br />

„hineinbläst”, so ist seine Präsenz dort allemal spürbar; auch seine Zuordnung zum Subjekt<br />

wird hier bewußt offen gelassen. Wir können uns sowohl vorstellen, daß das Morgenhorn<br />

seinen Schall in die Straßen der Stadt bläst als auch, daß der Frühlingswind die Kälte, die zu<br />

demjenigen im Sattel kommt..., das dünne Kleid zu durchschneiden, zwischen die<br />

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