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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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das den Text durch den Widerspruch zwischen Selbstwahrnehmung und literarischer<br />

Reflexion strukturiert.<br />

Bisher war allein von der begrifflichen Ebene die Rede, doch ein Blick auf die tonale<br />

Komposition der Verse wird zeigen, daß <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong> diese auch in der shi-Dichtung wichtig<br />

nahm, so daß eine Auslegung <strong>des</strong> Textes über verschiedene Ebenen zumin<strong>des</strong>t möglich<br />

erscheint. Bevor mit diesem Versuch begonnen wird, ist jedoch klarzustellen, daß die<br />

Möglichkeiten, hier eine fundierte Gewißheit zu erlangen, nach wie vor begrenzt sind. <strong>Das</strong><br />

Abklopfen der Worte nach Aussprache und Klang bleibt auf die systematische Erforschung<br />

<strong>des</strong> Mittelchinesischen (fünftes bis zehntes Jahrhundert) angewiesen und steht somit von<br />

anfang an auf unsicherem Terrain. Dazu kommt, daß während der Südlichen Song die<br />

südchinesischen Provinzdialekte stärkeren Einfluß auf die Hochsprache geübt haben dürften<br />

als während der Tang und Nördlichen Song, deren politische und kulturelle Zentren auch im<br />

Norden lagen. Die in der Tang-Zeit entwickelten, formalen Regeln der shi-Dichtung<br />

bestanden zwar unverändert; von einer strengen Verbindlichkeit im Umgang mit der Tonalität<br />

der Sprache, die selbst für die Tang-Dichtung nur bezüglich ganz bestimmter Formen der<br />

Gattung shi Gültigkeit besassen, kann aber nur mit Vorbehalt die Rede sein. <strong>Das</strong> Wesen und<br />

die Varianten jenes poetologischen Regelwerkes hat Ulrich Unger in seinem Aufsatz<br />

„Grundsätzliches zur formalen Struktur von Gedichten der Tang-Zeit“ 124 einprägsam<br />

skizziert. <strong>Das</strong> Idealschema, von dem er für den durch ihn abgesteckten Zeitraum spricht, läßt<br />

sich jedoch auch durch scharfsinnige Analysen und deren inspirierte Auslegungen nicht<br />

vollständig wiederbeleben. Die Orientierung an Fakten führt nur dann näher zur sprachlichen<br />

Originalität, wenn sie in der vom Rezipienten (Leser/Übersetzer) erfundenen Gesamtstruktur<br />

<strong>des</strong> Textes neben anderen, subjektiven Bestandteilen Platz findet. Hinsichtlich der Tonalität<br />

der Sprache gelingt dies schon bei Tang-Gedichten nur selten so geschlossen und<br />

überzeugend, wie in dem von Unger besprochenen Beispiel eines Vierzeilers <strong>des</strong> Wang Wei<br />

(699-759). Es ist nicht zuletzt das bisherige Ausbleiben einer umfangreichen<br />

Materialsammlung zu phonetischen Analysen von Tang-Lyrik, was daran hindert,<br />

Abweichungen und Übereinstimmungen mit den metrischen Schemata im konkreten Fall zu<br />

beurteilen. Noch größer müssen die Schwierigkeiten bei songzeitlichen Gedichten sein, da<br />

123 Ein Beleg findet sich etwa in Yu Xins (513-581) fu-Dichtung „Klage über <strong>Jiang</strong>nan“ (Ai <strong>Jiang</strong>nan fu) am<br />

Ende eines Abschnitts, der die Hauptstadt der untergegangenen Liang-Dynastie in ihrem letzten Frühling vor der<br />

Katastrophe beschreibt: „Frühlingskraft den Gräsern und Bäumen / Regen und Wind den Fischen und Drachen“<br />

(Nienhauser; Lament; S. 62)<br />

124 in: Ptak, Roderich & Siegfried Englert (Hg.): Ganz allmählich. Aufsätze zur ostasiatischen Literatur,<br />

insbesondere zur chinesischen Lyrik. Festschrift für Günther Debon aus Anlaß seiner Emeritierung und seines<br />

65. Geburtstages. ; Heidelberg 1986<br />

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