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Das Werk des Dichters Jiang Kui - AsiaRes

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lyrical self. (...) The important difference, of course, is that the commanding vision in the<br />

works has shifted from the omnipresent lyrical self to the object. 25<br />

<strong>Das</strong> zentrale Verständnisproblem, das sich aus diesem Versuch, die Interpretation von<br />

ihrem Ausgerichtetsein auf einen ichbezogenen Aussagegehalt zu lösen, ergibt, liegt in der<br />

m.E. nicht recht einsehbaren Verschiebung <strong>des</strong> „beherrschenden Gesichtsfel<strong>des</strong>“<br />

(„commanding vision“) aus seiner vermeintlich traditionellen Lage beim „Ich“ („I“) zum<br />

Gegenstand. Worauf es Lin scheinbar ankommt, ist die strukturelle Funktion <strong>des</strong> Subjekts<br />

durch einen Gegenstand („object“, 物 wu) vertreten zu lassen, was ihm als Erklärung dafür<br />

dient, daß in den neuen yongwu-ci <strong>Jiang</strong> <strong>Kui</strong>s eine bis dahin unbekannte und<br />

unkonventionelle dichterische Spannung spürbar wird, die nicht auf ein Ich als subjektive<br />

Instanz fixiert ist. In der „objektiven Struktur“ <strong>des</strong> Gedichtes spiegelt sich demnach<br />

sozusagen jene „Besessenheit von Gegenständen“, der die auf verfeinerte Genüsse - also auch<br />

auf verfeinerte Wahrnehmung durch die Kunst - erpichte Literatenklasse verfallen war. Lin<br />

versucht damit, den Vorwurf der dekadenten, also kraft- und substanzlosen, innerlich<br />

ausgehöhlten und bloß formal glänzenden Lyrik zu beseitigen, indem er auf ein andere<br />

Maßstäbe setzen<strong>des</strong>, kultur- und mentalitätsgeschichtliches Bewußtsein der Epoche verweist,<br />

das bestrebt ist, Gefühle und innere Erfahrungswelten ästhetisch zu „objektivieren“. Dieses<br />

Bewußtsein, so stellt Lin im Epilog seines Buches noch einmal fest, habe „sowohl im Leben<br />

wie in der Kunst den Rückzug auf den Gegenstand bis zum äußersten getrieben“ 26 und bilde<br />

<strong>des</strong>halb eine eigene Entwicklungsstufe und keinen Niedergang in der Geschichte der<br />

Dichtung.<br />

Allerdings stellt sich beim Überdenken dieser Argumentation ein grundsätzlicher Zweifel<br />

ein: wie kann überhaupt die Lyrikanalyse ein Subjekt durch ein Objekt ersetzen, wenn doch<br />

das Gedicht, wie jedenfalls hier, von vornherein dazu bestimmt ist, Gefühle und Erfahrungen<br />

<strong>des</strong>sen, der schreibt oder liest in Sprache umzuwandeln? Hier wird eine Grenze erreicht, die<br />

eine Interpretation <strong>des</strong> Gedichtes jenseits der formalen Strukturen als stilistische Schöpfung<br />

<strong>des</strong> Autors erschwert, denn Lin sieht die emotionalen und kontemplativen Inhalte nicht mehr<br />

in einer subjektiven Instanz vereint. Den Akt <strong>des</strong> Dichtens bezeichnet er als<br />

„Intuitionssprung“ 27 , in dem der Dichter seinem Selbst sozusagen entwischt. Zu einer<br />

ähnlichen Sichtweise, in der die Inhalte <strong>des</strong> Gedichtes scheinbar keiner subjektiven<br />

Wahrnehmung unterliegen, führt auch Wan Liu, der in seinem Essay „Allusion and Vision:<br />

25 Lin; Transformation; S. 150f.<br />

26 ebenda; S. 191<br />

27 ebenda; S. 150<br />

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