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Massenarbeiter und Personalpolitik in Deutschland ... - ISF München

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E<strong>in</strong> Personalleiter schildert das Verfahren bei "betriebsbed<strong>in</strong>gten Kündigungen" folgendermaßen:<br />

"Bei der Handhabung der Entlassungskriterien gibt es zunächst Vorschläge von den<br />

Vorgesetzten, die mit Abteilungs- <strong>und</strong> Kostenleiter abgesprochen werden <strong>und</strong> zu e<strong>in</strong>er<br />

ersten Fassung fuhren. Diese wird dann auf ihre Realisierbarkeit geprüft (z.B.<br />

unter Beachtung der Zahl der Schwerbeh<strong>in</strong>derten, der Anzahl der Dienstjahre<br />

u.a.m.), was dann zu e<strong>in</strong>er zweiten Fassung führt. Diese geht dann an den Betriebsrat,<br />

mit dem dann verhandelt wird <strong>und</strong> der u.U. schriftliche Widersprüche formuliert.<br />

Zum Schluß gibt es e<strong>in</strong>e Überprüfung zusammen mit dem Werksleiter, <strong>und</strong><br />

dann wird die endgültige Entscheidung getroffen. Der Personalabteilung kommt<br />

hauptsächlich die Aufgabe zu, die durch den Meister getroffene Selektion über die<br />

Machbarkeit von Entlassungen, also <strong>in</strong>sbesondere h<strong>in</strong>sichtlich der Sozialkriterien, zu<br />

überprüfen" (Int. D 38).<br />

E<strong>in</strong> anderer Personalleiter weist <strong>in</strong>sbesondere auf den Zusammenhang von Personalabbau<br />

mit Leistungskriterien h<strong>in</strong>: "Offiziell gelten die Kriterien des Familienstands,<br />

der Betriebszugehörigkeit, des Alters etc. In Wirklichkeit wird nach der<br />

Gr<strong>und</strong>frage entschieden, wie man Spreu vom Weizen trennen kann, was man loswerden<br />

will. Wir wollen uns von den Leistungsschwachen trennen. Dies führt dann<br />

zusammen mit den offiziellen Kriterien zu e<strong>in</strong>em Pokerspiel mit dem Betriebsrat.<br />

Der personelle Abbau bedeutet <strong>in</strong> jedem Fall e<strong>in</strong>e Leistungsverdichtung für das verbleibende<br />

Personal. Das schaffen nur die Leistungsstarken. Der Betriebsrat soll aber<br />

nicht verärgert werden, so daß man immer wieder E<strong>in</strong>sprüche des Betriebsrats berücksichtigt<br />

<strong>und</strong> trotzdem sukzessive mit mehreren Entlassungsschüben zur Negativauswahl<br />

kommt, wie sie ursprünglich geplant war. Mit dem Betriebsrat gab es im<br />

Endeffekt ke<strong>in</strong>e Probleme; bei H<strong>und</strong>erten von Entlassungen gab es nur zwei Kündigungsschutzklagen,<br />

<strong>und</strong> auch die s<strong>in</strong>d später wieder zurückgezogen worden."<br />

Auch das französische Untersuchungsmaterial enthält H<strong>in</strong>weise auf die <strong>in</strong>formelle<br />

Handhabung von Selektionskriterien beim Personalabbau.<br />

Ähnlich wie <strong>in</strong> der B<strong>und</strong>esrepublik <strong>Deutschland</strong> müssen auch <strong>in</strong> Frankreich die<br />

Entlassungslisten dem <strong>in</strong>nerbetrieblichen Vertretungsorgan der Arbeitskräfte (comité<br />

d'entreprise) vorgelegt werden. Im Gegensatz zum deutschen Betriebsrat hat<br />

der "comité d'entreprise" (Betriebsausschuß) <strong>in</strong> Frankreich auch bei der Aufstellung<br />

von Sozialplänen ("Interessenausgleich") nur e<strong>in</strong> Informations- <strong>und</strong> Konsultationsrecht,<br />

aber ke<strong>in</strong> Mitbestimmungsrecht.<br />

Die Rolle leistungsbezogener Kriterien ist weniger e<strong>in</strong>deutig als <strong>in</strong> den<br />

deutschen Untersuchungsbetrieben. Das hängt u.a. damit zusammen, daß<br />

Leistungslohnsysteme nach deutschem Vorbild durchgehend fehlen. Bei<br />

den beiden Massenentlassungen am französischen Standort SA, die Gegenstand<br />

der oben erwähnten Sozialpläne waren, bestand offensichtlich<br />

Zusammenhang zwischen dem Abbau von "Strukturpersonal" (Angestell-<br />

Düll/Bechtle/Moldaschl (1991): <strong>Massenarbeiter</strong> <strong>und</strong> <strong>Personalpolitik</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> <strong>und</strong> Frankreich.<br />

URN: http://nbn-resolv<strong>in</strong>g.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-100374

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