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Kartographie einer seelischen Topographie, moorig, sumpfig, in<br />

einem grau-schwarzen Nebel, der alles verhüllte, weglos.<br />

Waren die Aufzeichnungen des Malers schon in künstlerischliterarischer<br />

Hinsieht ein Schatz, so ergaben sie für den Kriminalisten<br />

Aufschlüsse, die sich wie eine Perlenschnur aneinanderreihten<br />

und ein unentwirrbares Geflecht bildeten. Der Maler hatte sein in<br />

Jahrzehnten gesammeltes Wissen und seine Beobachtungen, über<br />

alles, was hinter den Fassaden in den Häusern sich abgespielt hatte,<br />

zu einem vollendeten geometrisch exakten Raumspiel entwickelt;<br />

obgleich er mit niemanden in der Strasse Kontakt hatte, kannte er<br />

sie alle, sah und durchschaute sie und ihre fremden Gesichter. Von<br />

seinem Atelierfenster aus lag ihm ihre kleine Welt zu Füssen, diese<br />

kleine Welt der Strasse, die der Maler in ganzen Mappen von Zeichnungen<br />

und Auszeichnungen eingefangen hatte.<br />

Den Reiz dieses Spiels zwischen Wirklichkeit und Spuk bildete die<br />

Wahl der legendären und versunkenen Welt der altibilischen Stadt<br />

Sodom; die Straße, in der die Dinge sich ereigneten, über die der<br />

Maler in seinen Aufzeichnungen und Zeichnungen berichtete, hatte<br />

den Namen der eigenen Straße, in der er seit fünfzig Jahren lebte mit<br />

den Menschen, die in drei Generationen an ihm vorübergezogen<br />

waren, ohne daß die Straße ihr Gesicht verändert hatte.<br />

Die Sodomiter waren verkommen, korrumpiert und alle Räuber und<br />

Diebe, Sittenstrolche und Gesinnungsmörer. Doch sie waren ehrliche<br />

Schurken, die einander nichts vorzuwerfen hatten und miteinander<br />

ihr dunkles Wesen trieben. Ihre Hafenstadt Sodom am Toten<br />

Meer war ein trostloses, verkommenes Nest; die Menschen,<br />

Kleinbürger in ärmlichen Hütten, lebten in dieser Trostlosigkeit der<br />

Tote-Meer-Landschaft. Ihnen blieb nur die Sinnenlust als festliches<br />

Vergnügen ihrer leeren Tage und Nächte, ein Panorama der Verlorenheit,<br />

die die Verworfenheit züchtete.<br />

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