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konnte. Der Tote war für die Untersuchungskommission ein Routinefall.<br />

Dagegen führten die Vernehmungen der Mitbewohner des Hauses,<br />

der Nachbarn und der Personen, die im Laden des Alten 'gewisse<br />

Dinge' erfahren haben wollten, in ein wahres Labyrinth von widersprüchlichen<br />

Aussagen und Behauptungen. Die Untersuchungskommission<br />

ging zunächst routinemässig bei ihren Vernehmungen<br />

vor, mußte aber bald erkennen, daß jede weitere Vernehmung wie<br />

ein Steinwurf in stilles Wasser wirkte, der einen neuen Kreis in zahlreiche<br />

andere ineinander verschwimmende Kreise bildete.<br />

Der 'Fall' hatte längst eine Entwicklung genommen, in der es nicht<br />

mehr um den Alten in dem Friseurladen ging, dessen plötzlicher<br />

und räselhafter Tod das Leben der Straße mit einem Mal völlig verändet<br />

hatte; das Ereignis nahm seinen eigenen Lauf, die Beteiligten<br />

verloren jede Kontrolle über den Fortgang des Geschehens, das die<br />

eigentliche Ursache längst überholt und mit dem Toten nichts mehr<br />

zu tun hatte. Denn dieser war, was das Besondere und Eigene der<br />

Straße betraf, ein 'Nichts', ein Schatten ohne Eigenleben. Der Alte,<br />

sein Leben und unheimliches Ableben, waren ein Widerspruch, ein<br />

Paradoxon; man empfand den 'Fall' als etwas völlig Widersinniges,<br />

einen Irrtum des Schicksals, eine Anmassung des alten Manne s, der<br />

durch seinen rätselhaften Tod zu einem unverdienten Rahm gelangt<br />

war. Mit dem ‚ Fall‘ hatte die Straße ihr Selbstverständnis verloren,<br />

sie war in eine Wirklichkeit gestossen worden, die den Mensehen<br />

der Straße fremd und unheimlich war. Der Alte in dem Laden war<br />

zu einem Ungeheuer geworden, das überall zwischen den Häusern,<br />

in allen Etagen, lauerte und die Menschen schreckte.<br />

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