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über das Leben im Hause K 29.<br />

Als die Mordkommission gegangen war, hatten sie ihren Streit vergessen.<br />

Sie sprachen später über den Mordfall. Lucius R. zeigte detektivisches<br />

Interesse und geriet immer mehr in den Text seiner<br />

Theaterrolle. Dabei gerieten Rollentext und das Leben des Lucius R.<br />

wirr durcheinander, zwischen dem geheimnisvollen Mordfall des<br />

Boulevardstückes und dem Schicksal des Schauspielerehepaares<br />

verschrammen die Linien des Wirklichen und Bewussten; das 'Verhör'<br />

geriet in die Abgründe eines ohnmächtigen, überstandenen<br />

Hasses, in dem Mord heimlicher Wunsch und tausendfach durchlittene<br />

Bitternis eines ausweglosen Lebens wird.<br />

Sie zeigte sich kaum erstaunt, als er ihr am Tag der Premiere zwei<br />

Theaterkarten für den Abend schenkte. Das Stück war ihr verleidet,<br />

sie wollte es nicht sehen und die Dialoge hören, die sie in den lochen<br />

zuvor hundertemal in dem kleinen Dachzimmer hatte anhören müssen,<br />

diese banalen Wortfetzen, die in den Kulissen eines Boulevardsalons<br />

glaubhaft schienen, an den schrägen Wänden des dürftigen<br />

Dachzimmers aber wie der nächtliche Schrei des Totenvogels widerhallten.<br />

Sie blieb zu Hause. Am nächsten Morgen sah Lucius R. in ihrem<br />

Zimmer auf dem kleinen Tisch das Textbuch liegen; es war aufge¬schlagen,<br />

sie hatte mit einem Grünstift das ‚Geständnis‘ angestrichen,<br />

das die Frau des 'Ermordeten‘ während des Verhörs machte.<br />

‚Ich gestehe, ich habe ihn töten wollen, immer wieder wollte ich es<br />

tun, alle die Jahre. Tausendmal wollte ich es tun; ich habe ihn ermordet,<br />

ja, aber immer nur mit meinen Gedanken. Es war Mord<br />

ohne Mord. Ich gestehe, ich habe seinen Tod herbeigesehnt und es<br />

doch niemals fertiggebracht, ihn umzubringen. Ich war feige, zu<br />

feige für einen Mord.‘<br />

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