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Als beide erkannten, daß ihre bürgerliche Ehe den künstlerischen<br />

Tod bedeutete, war es zu spät. Sie ging ihre Wege, hatte Freunde,<br />

von denen er wusste. Auch woher die Kleider, der Schmuck und die<br />

Reisen stammten. Alles das nahm er widerspruchslos hin, fand es<br />

dann sogar angenehm, daß andere für sie sorgten. Wenn einer ihrer<br />

Freunde in den Abendstunden, in denen er auf der Bahne stand, bei<br />

ihr in der kleinen Dachwohnung verbrachte, wartete er nach seiner<br />

Rückkehr auf der Straße, bis der Besucher weggegangen war. Er<br />

schämte sich nicht einmal mehr dieser, unwürdigen Rolle.<br />

Die Tage verbrachte er meist im Künstlercafé nähe dem Theater, in<br />

dem Regisseure, Schauspieler und anderes Bühnenvolk verkehrten.<br />

Hin und wieder fand er in diesem Kreis einen Filmmann, der eine<br />

kleine Rolle zu besetzen hatte, einen Butler, einen älteren Herrn<br />

ohne Profil. Diese Beschäftigung in den Aufnahmeateliers gaben<br />

ihm einigen Auftrieb und nährten seine Illusion, daß er einmal für<br />

eine Hauptrolle entdeckt würde.<br />

Oft hatte er mit ihr gesprochen über ihr Leben, über einen. neuen<br />

.Anfang, den sie beide versuchen sollten. Sie hasste den alternden<br />

Mann, beide lebten seit Jahren schon in ihrer Strindbergschen Rolle<br />

und spielten täglich ihre kleinen Auftritte, Szenen, die im Dialog und<br />

Aktenschluß einander glichen wie die eingeübten Stücke auf der<br />

Bühne.<br />

Meist war das am Mittag, in der Stunde, in der für ihn der Tag begann.<br />

Dann waren alle die schäbigen Dinge im Zimmer, das alte von<br />

einem Trödler erworbene Mobiliar und die vergilbten Fotos an der<br />

Wand mit der Schauspielerpose nackt, schamlos offen vor den kahlen<br />

Wänden. Er konnte diese Dürftigkeit nur im Dämmerlicht des<br />

Lampenscheins ertragen, dieses Nackte und Armselige, das die<br />

Nacht in die Wände verdrängte.<br />

Zwei Tage vor der Premiere, als Lucius R. seinen Text laut dekla-<br />

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