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ter Stunde führte er seine Gäste in die Werkstatt hinter der Gartenmauer.<br />

Auf einem der Knüpfstühle war ein Teppich gespannt, eine<br />

Meisterarbeit, von Osius selbst in kunstvoller Musterung entworfen<br />

und für die Basilika des befreundeten Bischofs von Nazianz bestimmt.<br />

Die Musterung war überraschend einfach und gerade in der<br />

Klarheit der Ornamente und Symbole, der Harmonie der reinen<br />

Farbtöne von einer bezaubernden Schönheit. Osius hatte die Schafwolle<br />

und das Ziegenhaar selbst gefärbt, mit dem Rot der Krapp-<br />

Pflanze, dem Blau aus Indigo, dem Gelb aus dem Safran der Blütennarben<br />

des Krokus, einem grünen Farbton aus reifen Gelbwurzbeeren.<br />

Das3 Braunschwarz und Blauschwarz war aus Blauholz mit<br />

Eisensalz gefärbt. Farben und Musterung waren von einem blassen<br />

Licht geprägt, das matt leuchtete, wie ein Lichtdom, sphärisch und<br />

in mildes Morgenrot getaucht, das aus der Sternennacht in den frühen<br />

Tag dämmert.<br />

Diese Meisterarbeit sollte, wie Osius meinte, den Namen 'Licht vom<br />

Licht‘ erhalten; ihm war aufgetragen, die Trias des einen Gottes in<br />

dem Knüpfmuster symbolhaft zu versinnbildlichen. Osius, dem alle<br />

trinitarischen Streitigkeiten fremd waren und der über die metaphysische<br />

Wesenseinheit der Trinität keine bildhaften Vorstellungen<br />

hatte, überwand das dichte Gestrüpp theologischer Spekulationen in<br />

freier künstlerischer Auslegung der Schrift im 2. Buch Moses ; er<br />

entwarf Muster und Motive im Dekor zu den seinem rustikalen Stil<br />

eigenen ornamentalen Elementen. Der pfiffige Teppichknüpfer<br />

kannte die Schwächen der Kleriker für Wunder und übernatürliche<br />

Zeichen, und so erzählte er seinem frommen Auftraggeber von<br />

einem nächtlichen Traum, in dem er einen der zehn Teppiche des<br />

Heiligtums in der Wüste gesehen habe und seine Arbeit diesem<br />

Traumbild genau entspräche. Sogar Länge und Breite des Knüpfteppichs<br />

entsprachen den Maßen der Schrift, achtundzwanzig Ellen<br />

lang und vier Ellen breit.<br />

Die Maße, Material und Knüpfart der Teppiche des Heiligtums in<br />

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