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Stunden, die kein Uhrenschlag trennt.<br />

Wer die Gewohnheiten in dem Haus K 31 kennt, das gegenüber der<br />

grünlichen Jugendstilfassade des Hauses K 29 breitbrüstig und häßlich<br />

in dem protzigen Aufwand der Gründerjahre steht, weiß, daß an<br />

diesem Morgen die Bewohner der Etage um. diese Zeit das Frühstück<br />

einnehmen. Das mag an sich kaum bemerkenswert sein, doch<br />

es ist seit langem in der Straße bekannt, daß die Begegnung der Bewohner<br />

dieser Etage in dem häßlich-protzigen Haus beim Frühstück<br />

ein ungewöhnliches Zusammensein unter Umständen ist, die zunächst<br />

Aufsehen erregte, dann aber als ‚milieubedingt‘ registriert<br />

wurde.<br />

Seit Jahren ist es im Hause des Generals der. Brauch, daß sich die<br />

Familienmitglieder an jedem Sonntag in später Morgenstunde im<br />

gemeinsamen Wohnzimmer zum Frühstück versammeln. Der General<br />

a.D. hat zwei erwachsene Töchter, beide irgendwie einmal verheiratet,<br />

später aber wieder in den Schutz der väterlichen Wohnung<br />

zurückgekehrt.<br />

Der General a. D, und seine beiden Töchter warenübereingekommen,<br />

daß man über nächtliche Besuche sich keinerlei Rechenschaft<br />

zu geben brauche; mit der Zeit fand man es reizvoll und ungemein<br />

unterhaltsam, sich gemeinsam mit den jeweiligen Partnern am Sonntagmorgen<br />

beim Frühstückstisch zusammen zu finden. Die ‚familiäre‘<br />

Stunde, wie man sie nannte, an diesen sonntäglichen Vormittagen<br />

im .Salon der Beletage stellte an alle Teilnehmer hohe Anforderungen<br />

an innerer Haltung, gesellschaftliche Kompromisse und<br />

menschliche Toleranz.<br />

Nicht, daß in dem Haus des Generals a.D. eine abgestandene Art<br />

bürgerlicher Moral herrschte oder gar ein frivoles Überschreiten von<br />

gesellschaftlichen Tabus; die Begegnungen im Salon an den Sonnvormittagen<br />

waren, obgleich zynisch und schamlos, doch ehrlich<br />

und offen, seitens des Generals a.D. eine moralische Kapitulation,<br />

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