D E R F A L L T 0 R T 0 R 0 T 0 T

Antiquitätenladen im Viertel der spanischen Treppe.
Damals hatte er Beziehungen zu einem Kreis junger Künstler aufgenommen,
die die Tradition der Deutsch – Römer zu pflegen suchten,
sich dann aber zerstritt und auseinanderging. Titus Tisson hielt
der Idee dieser Schwärmer die Treue, er studierte Leben und Einfluss
jener Künstler im vergangenen Jahrhundert in Rom, schrieb
mehrere Abhandlungen über Aufstieg und Niedergang dieser Künstlergruppe,
wobei er mit wissenschaftlicher Exaktheit das tragische
Rennen des Genius gegen die übermächtige Tradition dieser Stadt
aufzeichnet. Es war, wie er glaubte, seine eigene Geschichte, die er
ohne selbstquälerische Schönfärberei einer Krankengeschichte ähnlich
in allen Einzelheiten aufspürt.
+
Titus Tisson war immer ein sonderlicher Mensch. Nach seiner
Rückkehr mietete eher an der Straße seinen Antiquitätenladen. Die
Leute waren an Käuze seiner Lebensart gewöhnt und es störte sie
nicht, daß er einenm seltsamen Umgang pflegte. Da er nicht verheiratet
war, fand man nichts dabei, dass er Frauenbekanntschaften
hatte. Manche blieben einige Wochen und halfen ihm im Laden. Die
Frauen im Haus des Titus Tisson wechselten oft, sie gehörten zu
dem Typ gescheiter und enttäuschter Wesen, denen weder Geist
noch Schönheit zu eigen waren, die jedoch auf mancherlei Wegen
ihren Lebenshunger zu befriedigen suchten. So waren sie in den
Kreis der Bruderschaft geraten; offenbar stammten sie aber dem
komplizierten Ritual der Gemeinschaft verständnislos gegenüber;
die strengen Regeln untersagten jede fleischliche Lust und ließen
zwischen Mann und Frau nur schwesterliche Zuneigung zu. Mehr
als einige Wochen ertrug keine der Frauen im Haus des Titus Tisson
die Verleugnung der Natur.
Titus Tisson lebte in seinem Gehäuse wie ein Eremit, nach einem
219